KW 39/2020 – Der Hagener TW50 im Jahre 1964″

Jared Herzig-AltonBild der Woche

Strassenbahn Hagen :
Die Häuserblockumfahrung mit Wartegleis an der Springe und der Abfahrtstelle in der Mühlenstrasse ist gerade ein paar Wochen fertiggestellt, als der Fotograf das Fahrpersonal am 5.9.1964 beim Plausch “erwischt”. Vor TW50 auf der Linie 8 zur Franklinstrasse, steht ein Zug der Linie 7 nach Boele-Kabel, bestehend aus TW65 und
BW129. Im Volksmund wurde diese Linie wegen der überwiegend katholischen Bevölkerung in Boele auch “Vatikan-Express” oder “schwarze Sieben” genannt. Der vorn stehende Gelenkwagen macht Werbung für eine bekannte Biermarke aus Hagen-Haspe, die vielfach auch international ausgezeichnet wurde, aber mittlerweile vom Markt verschwunden ist. Am späten Nachmittag des 29.5.1976 verließ letztmalig ein Strassenbahnwagen der Linie 7 diese Haltestelle um Fahrgäste nach Kabel zu bringen. Obwohl sie bis 1978 mehrfach für den Busverkehr umgebaut wurde, ist die Mühlenstraße heute ÖPNV-frei. TW65 konnte bereits im August 1976 nach Innsbruck verkauft werden und war dort bis 2009 im Einsatz bevor er nach Polen weiterverkauft wurde; TW50 wurde im Spetember 1977 an die GSP Belgrad abgegeben und war dort bis 1985 im Einsatz.
Foto: Dr. Rolf Löttgers; Slg. Jörg Rudat

KW 10/2019 – Regensburg: Mit der Tram durch’s Weltkulturerbe ?

Guido KorffBild der Woche

Sie hat nicht lang genug gelebt, um die Aufnahme Ihrer Stadt in den Kreis der Welterbestätten mitzuerleben; die letzte Straßenbahn in Regensburg fuhr am 1. August 1964. Zu dieser Zeit verkehrte nur noch die Linie 1 von Prüfening nach Pürklgut; die anderen Strecken waren teilweise bereits Jahre zuvor eingestellt worden.

Das hier sichtbare Jakobstor liegt an der ehemaligen Linie 1 Richtung Prüfening; der Triebwagen 9 fährt gerade in die Stadt. Die genannte Endstelle – direkt neben einer rege befahrenen Bahnstrecke, die sich hier in die Richtungen Nürnberg und Ingolstadt aufteilte – war in den letzten Jahren der Straßenbahn ein beliebter Standort für die Tramfotografen, die sich eine Dampflok als Bildhintergrund wünschten.

Das alte meterspurige Regensburger Netz bestand im Grundsatz aus einem Streckenkreuz, dessen Arme sich am Domplatz trafen. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, durch welche enge Straßenzüge sich die Bahnen damals schlängeln mussten. Hinzu kamen äußerst enge Kurven. Der Höhepunkt war die Befahrung der „Steinernen Brücke“, mit deren Bau immerhin schon 1135 begonnen worden war. Sie gilt heute als älteste erhaltene Brücke in Deutschland.

Lange Zeit war die Steinerne Brücke, die einzige feste Donauquerung zwischen Ulm und Wien. Der Reichtum der Stadt im Mittelalter geht unmittelbar darauf zurück: der Fernhandel zwischen Ostsee (Hanse) und Adria (Republik Venedig) verlief über diese Brücke. Die örtlichen Patrizier errichteten als Statussymbole sog. „Geschlechtertürme“ nach italienischen Vorbild – sozusagen die „Hochhäuser“ des Mittelalters. Die gute Erhaltung dieser Bauten rechtfertigte dann 2006 den Welterbe-Titel. Umgeben war das Ganze natürlich von einer Stadtmauer, die man heute nur noch an einer Allee nachvollziehen kann. Vom Jakobstor aus dem späten 13. Jahrhundert sind die beiden hier sichtbaren Flankentürme bis heute erhalten geblieben.

Als der Handel von Lübeck nach Venedig auf den Seeweg verlegt wurde, verarmten die Stationen der Landstrecke; auch Regensburg fehlte die Wirtschaftskraft für angestrebte Modernisierungen. Die Ansiedlung von BMW auf dem Gelände der geplanten Kernkraft-Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf (40 km entfernt) brachte aber auch viele neue Firmen nach Regensburg. Die Stadt wächst seitdem kontinuierlich (um ein Drittel in den letzten 20 Jahren!) und kann es sich deshalb leisten, über den Bau einer neuen Stadtbahn nachzudenken. Man hat nämlich erkannt, dass die Fahrgastzahlen im ÖPNV der Stadt nur noch mit einem schienengebundenen Verkehrsmittel gesteigert werden können.

Vorgesehen sind zwei Linien, die teilweise parallel verlaufen. Die Welterbe-Altstadt werden sie aber zwangsweise „links liegen lassen“ müssen. Das Projekt wurde 2018 vom Stadtrat beschlossen. Die Bahn könnte bis 2030 eröffnet sein, denn sogar die örtliche FDP ist dafür, wo doch diese Partei anderswo meistens gegen den städtischen Schienenverkehr schießt.

Der hier gezeigte Triebwagen 9 gehörte zur Erstausstattung der Regensburger Straßenbahn aus dem Jahre 1902; damals wurden von der MAN 16 Fahrzeuge geliefert. Die offenen Plattformen wurden bis 1905 geschlossen. Die Wagenreihe war bis 1948 im Bestand.

Die neuesten Fahrzeuge der Regensburger Straßenbahn waren vier Züge vom Verbandstyp, die Rathgeber in München 1956 lieferte. 1964 nach Darmstadt verkauft, waren sie letzten planmäßig eingesetzten Zweiachser in Deutschland! 1990 kehrte ein Zug nach Regensburg zurück. Um eine nötige Auffrischung will sich ein Förderverein kümmern, der sich 2014 gegründet hat. 2017/18 wurde schon mal der Beiwagen aufgearbeitet. Es wird sogar über einen Museumsbetrieb nachgedacht; eine geeignete Strecke ist aber noch nicht gefunden.

-gk- / Foto: Sammlung -gk-

KW09/2019 – Rhöndorf: Wir backen uns eine Seilbahn

Guido KorffBild der Woche

Weil sie derzeit in aller Munde sind, wollen auch wir nicht zurückstehen, sondern ein Seilbahnprojekt vorstellen. Es sollte von Rhöndorf zur Löwenburg – einem der sieben Berge des Siebengebirges – führen, blieb aber ein Traum.

Seit 1883 befördert die Drachenfelsbahn Touristen auf den gleichnamigen Berg. Seine Anziehungskraft hat Königswinter viele Jahrzehnte lang zahlreiche Gäste und gute Geschäfte beschert. Von oben hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Rhein – und auf Rhöndorf.

Der Neid der Rhöndorfer blieb nicht aus und so startete der Rhöndorfer Bäckermeister und CDU-Stadtrat Peter Profittlich eine Initiative, mit der man sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollte. Es begann 1950 mit einem Aprilscherz in der Honnefer Volkszeitung. Kurz darauf wurde daraus ein veritabler Plan, den Drachenfels auch von Süden touristisch zu erschließen. Verschiedene örtliche Fabrikanten waren sofort bereit, das Vorhaben finanziell zu unterstützen.

Sie alle hatten aber die Rechnung ohne den „Alten“ gemacht. Der erste Bundeskanzler der deutschen Republik, Konrad Adenauer, hatte sein Domizil in Rhöndorf aufgeschlagen, nachdem er als Kölner Oberbürgermeister entlassen und aus Köln verbannt worden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er in der neugegründeten CDU rasch Karriere gemacht und war 1949 mit knapper Mehrheit zum Bundeskanzler gewählt worden.

Da ihm touristischer Rummel missfiel, nutzte er seinen Einfluss und seine Kontakte gegen die Seilbahn. Ein Zitat: „Ich habe es nicht gern, wenn der Südhang des Drachenfels durch eine Seilbahn beunruhigt wird. Bitte teilen Sie dies den Fraktionen mit.“

Peter Profittlich ließ sich aber nicht die Butter vom Brot nehmen und stellte sich dem Zweikampf mit seinem Partei“freund“ Konrad Adenauer. Selbst die ausländische Presse berichtete mit Vergnügen über die Provinzposse. Als 1953 der Honnefer Stadtrat die Bahn tatsächlich genehmigen wollte, sprach der „Alte“ ein Machtwort und die Sache wurde abgeblasen.

Profittlich gab aber noch nicht auf und trat 1959 erneut an die Öffentlichkeit. Er wollte das schwere Unglück der Drachenfels (14. September 1958; 18 Tote) für seine Pläne nutzen. Dazu entwickelte er eine größere Variante, zu der wir auf unserem Bild ein Modell sehen.

Unten rechts liegt Rhöndorf; die blaue Bildecke lässt den Rhein erahnen. Die Talstation (mit rotem Dach) liegt am zentralen Rhöndorfer Ziepchesplatz – genau gegenüber von Profittlichs Café. Die Bahn lässt aber den Drachenfels links liegen und steuert stattdessen den benachbarten Gipfel der Wolkenburg an, wo in eine zweite Sektion umzusteigen wäre. Deren „Langstrecke“ führt dann zur Flanke der Löwenburg, die auch eine attraktive Burgruine vorzuweisen hat. Die Aussicht von dort ist außerdem mit der vom Drachenfels mehr als konkurrenzfähig!

Kaum war die neue “Studiengesellschaft Seilbahn Rhöndorf” angekündigt, machte wenige Tage später der NRW-Wirtschaftsminister kurzen Prozess: “Die Bahn wird nicht genehmigt.” Er hatte wohl einen Anruf aus Rhöndorf erhalten…

Das abgebildete Modell kann heute noch in der oberen Gaststube des Café Profittlich angeschaut werden. Peter Profittlichs Enkel brachte das Konzept sogar für die geplante Landesgartenschau 2020 in Bad Honnef wieder ins Gespräch. Der Zuschlag für die LAGA ging zwar an eine andere Stadt, aber Honnef will sich erneut bewerben…

Postskript: Auch in Bonn bewegt ein Seilbahn-Projekt die Gemüter. Es soll die Uni-Kliniken auf dem Venusberg mit Dottendorf (Endpunkt der SL 61 und 62) verbinden und danach den Rhein überqueren. Bedauerlich nur, dass hier kein echtes Verkehrsbedürfnis vorliegt, sondern die Freihalte-Trasse einer ungeliebten Autobahn mit Masten vollgestellt werden soll.

-gk- / Foto: -gk-

KW08/2019 – Mannheim: OEG – eine “Kreisbahn” der besonderen Art

Guido KorffBild der Woche

Grund für die Auswahl dieses Bildmotivs war der „Eilzug“ vorne rechts, der um 1930 vor dem Hauptbahnhof der ehemaligen badischen Residenzstadt Mannheim auf seinen nächsten Einsatz wartet.

Die sog. „OEG-Halbzüge“ sind auch bei den Fans im Bergischen Raum sehr beliebt, weil sie an die „Wüstenschiffe“ der Barmer Bergbahn erinnern. Diese massigen Mitteleinstiegswagen haben bis zum Zweiten Weltkrieg auch unsere Museumsbahn befahren, bevor sie im Niederbergischen nur noch kurze Zeit ihr Gnadenbrot fanden und danach als „Splitterbauart“ ausgemustert wurden.

Die „Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft AG“ (OEG) war natürlich keine „Kreisbahn“ im üblichen rechtlichen Sinne, denn dieser Begriff spielt auf die Eigentümerrolle von Landkreisen bei ländlichen Kleinbahnen an. Die OEG startete dagegen auf Initiative von Herrmann Bachstein als Teil der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft AG“ (OEG) und geriet schon bald unter die Kontrolle der Stadt Mannheim, die Hugo Stinnes und seinem RWE als neuem Hausherren bei der SEG nicht traute.

Die OEG war allerdings auch aus anderen Gründen keine Kreisbahn. So umschreibt die heute 55 km lange Strecke eher ein ausgeprägtes Dreieck als einen Kreis. Selbst der Verkehr war viele Jahrzehnte nicht durchgehend. Zwischen den beiden Mannheimer Endbahnhöfen klaffte anfangs eine Gleislücke, die zwar schon 1892 geschlossen, aber nicht für Personenzüge genutzt wurde. Später sorgte die langwierige Elektrifizierung (1915 begonnen) für verschieden traktionierte Teilstrecken. Erst 1956 war der Fahrleitungsring elektrisch geschlossen.

Die am längsten offen gebliebene Lücke war der östliche Schenkel des Dreiecks. So konnte von Mannheim schon 1915 nach Weinheim und 1929 nach Heidelberg elektrisch gefahren werden. Beide Schnellverbindungen endeten seitdem zentral auf dem Bahnhofsvorplatz. Daraus können wir schließen, dass unser Bild nach 1929 entstanden ist, denn der Halbzug soll nach Heidelberg fahren.

Das hier sichtbare Bahnhofsgebäude von 1876 wurde im Krieg zwar beschädigt, aber wieder aufgebaut. Vorschlägen zur Verlegung ist die Stadt nicht gefolgt. Die Gebäude rund um den Vorplatz sind dagegen heute komplett verschwunden. Straßenbahnen, die vom Schloss kommen (im Hintergrund), biegen aktuell schon in die Straße gegenüber dem Hauptportal ab, die deutlich verbreitert wurde. Den Warteplatz der Straßenbahnen bevölkern heute noch mehr Taxen als damals und ein paar Omnibusse.

Für den Verkehr nach Heidelberg beschaffte die OEG 1928 insgesamt 21 Halbzüge, die aus je einem vierachsigen Trieb- und Steuerwagen bestanden. Wie der Begriff „Halbzug“ andeutet, war auch der Betrieb mit vierteiligen “Ganzzügen” vorgesehen. Zwei Halbzüge sind museal erhalten (in Mannheim und Hannover). Der Zug 45/46 in Mannheim befand sich einige Jahre im DGEG-Museum in Viernheim und kehrte nach dessen Schließung zur OEG zurück.

Der Halbzug trägt heute eine dunkelgrüne Lackierung mit goldenen Zierstreifen, die schon sehr stark an unsere „Wüstenschiffe“ erinnert. Vielleicht wäre das ja mal ein Wunschfahrzeug für unsere jährliche Mitgliedersonderfahrt?

-gk- / Foto: Sammlung -gk

KW07/2019 – Gelsenkirchen: Der Hauptbahnhof – Ein Prunkstück der Stadt

Guido KorffBild der Woche

Das „Bild der Woche“ für die KW41/2017 stand unter dem Motto „Gelsenkirchen, wie hast du dich verändert!“ Gemeint waren damit der Abriss des schmucken alten Bahnhofsgebäudes und sein Ersatz durch eine „Einkaufspassage mit Bahnsteigzugängen“. Ihrem Chronisten ist es inzwischen gelungen, ein ähnliches Motiv aufzutreiben, das von der damals gezeigten Situation weit in die Vergangenheit zurückblendet – den Pferdedroschken nach zu urteilen, in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.

Im Vergleich fällt auf, dass sich die Situation im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum verändert hat. Das Bahnhofsgebäude hat wohl beide Weltkriege relativ heil überstanden, nur kleinere Details wurden vereinfacht oder „modernisiert“. Auch das „Central-Hotel“ links im Bild ist bis auf die Dachgauben und den Ziergiebel weitgehend das alte geblieben. Lediglich die eingezäunte Grünanlage mit dem dekorativen Blumenhügel ist fünfzig Jahre später genau wie die Bäume am Droschkenstand dem angewachsenen Verkehr gewichen.

Der große Gelsenkirchener Stadtumbau der 70er Jahre fiel in eine Zeit eines nahezu unbegrenzt geglaubten wirtschaftlichen Wachstums. Zwar hatte es für die Zukunft des Steinkohlenbergbaus bereits erste düstere Warnzeichen gegeben, aber man glaubte noch, diese Dellen mit anderen, neuen Industrien ausbügeln zu können. Man denke nur an das Opel-Werk in Bochum – mittlerweile auch schon wieder Geschichte!

Der Verzicht auf ein Bahnhofsgebäude dokumentiert zugleich den immensen Personalabbau bei der seinerzeitigen Deutschen Bundesbahn, bei dem zahllose Funktionen und Arbeitsplatze in der Verwaltung wegrationalisiert wurden. Wo dann für die Büros keine anderen Nutzer gefunden werden konnten, rollten die Bagger an. Erst in den letzten Jahren hat die Deutsche Bahn eingesehen, dass repräsentative Bahnhöfe auch wirksame Image-Träger sein können…

Auf unserem Bild links befährt Triebwagen 807 als Linie 3 die Straßenbahnstrecke Richtung Wattenscheid-Günnigfeld / Volkspark, die bis zum 27. Dezember 1954 verkehrte. Von der Strecke nach Essen über Rotthausen (rechts) ist immerhin die Fahrleitung klar zu erkennen. Erbaut wurde sie 1909 von der Süddeutschen Eisenbahn, die erst in den 50er Jahren zur „EVAG“ umfirmierte.

Die hier sichtbaren Gleise sind 1974 mit der bevorstehenden Verbannung der Straßenbahn in einen sog. „Stadtbahn“-Tunnel verschwunden, der heute unter diesem Platz verläuft. Die Strecke nach Wattenscheid und Bochum erhielt eine weiter östlich gelegene Umleitungsstrecke, während die Verbindung nach Essen stillgelegt wurde. Immerhin gab / gibt es ja über Trabrennbahn eine zweite Fahrgelegenhiet nach Essen.

-gk- / Foto: Sammlung -gk

KW06/2019 – Wuppertal: Als die Linie 5 noch zum Schwelmer Brunnen fuhr

Guido KorffBild der Woche

„Grüß Euch Gott alle miteinander – Feldhaus, Tillmann, Rüggeberg und Sander“ sangen nach der Melodie aus der beliebten Operette “Der Vogelhändler” die Wuppertaler, die damals natürlich noch nicht so hießen, wenn sie am Wochenende eine „Trinkkur“ einlegen wollten. Die vier Namen stehen für die Gastwirtschaften, die den Schwelmer Brunnen zu einem populären Ausflugsziel ihrer Zeit machten.

Das Heilwasser, das den Ruhm der Quelle weit vor den Toren der westfälischen Nachbarstadt begründete, war zwar schon versiegt, als die Barmer Straßenbahn den Schwelmer Brunnen erreichte, als Ort für gesellschaftliche Anlässe und Geselligkeit entfaltete die kleine Gruppe von Gastwirtschaften und Hotels aber immer noch eine weit reichende Anziehungskraft. Nicht nur Bier und Wein, sondern auch Konzerte, Tanzveranstaltungen, ja selbst eine Pferderennbahn waren im Angebot.

Der Schwelmer Gesundbrunnen hatte seine Karriere kurz nach 1700 als schwefel- und eisenhaltiges Gewässer begonnen und wurde sogar positiv mit den Quellen im mondänen Pyrmont und in Driburg verglichen. Das neue Bad wurde von da ab rege besucht. Da Trinken und Baden aber nicht den ganzen Tag ausfüllten, entwickelten sich in und neben den Kurhotels auch Unterhaltungseinrichtungen.

Nach 1870 wurde in den benachbarten „Roten Bergen“ der Bergbau wieder aufgenommen, denn vor allem der dort vorkommende hochwertige Schwefelkies ließ sich mit neuen Techniken wirtschaftlicher als zuvor abbauen. Das Befürchtete geschah: Um 1880 versiegte die Heilquelle! Da längere Trink- und Badekuren nun keine Grundlage mehr hatten, mussten sich die Wirte etwas einfallen lassen. Tagesausflügler aus Barmen und Elberfeld waren nun die neue „Zielgruppe“.

Die schon länger geplante Anbindung von Schwelm an das Barmer Straßenbahnnetz erfolgte am 24. August 1897. Dazu muss man auch wissen, dass das Amt Langerfeld damals zum Kreis Schwelm gehörte und Westfalen bereits jenseits der Wupper begann.

Die neue Straßenbahn durchquerte die westfälische Kreisstadt und den wenige Jahre (1890) zuvor eingemeindeten östlichen Nachbarort Möllenkotten, um direkt vor den Gastwirtschaften am Brunnen (genauer: Haus Friedrichsbad) zu enden. Angesteuert wurde die neue Endstation von der Barmer Linie 5.

Obwohl für die neue Strecke eine eigene Gesellschaft, die spätere „Barmen-Schwelm-Milsper Straßenbahn“ gegründet wurde, verkehrten Wagen aus dem Barmer Stadtnetz ohne separate Eigentumskennzeichnung.

Wenige hundert Meter vor der Endstelle war auch ein Betriebshof eingerichtet worden. Von hier aus pendelten ab 1907 die Bahnen auf der neuen Strecke nach Milspe, während die Wagen aus Barmen zunächst weiter zum Brunnen durchfuhren. Als das Angebot Richtung Milspe später verdichtet wurde, gab es nur noch sonntags Fahrten zu den Brunnengaststätten. Um 1913 wurde der kurze Abschnitt schließlich ganz eingestellt.

Wir blicken auf unserem Bild stadtauswärts (Richtung Gevelsberg); das Gleisende liegt noch ein Stück hinter dem Wagen. Der Eingang zum Brunnenpark mit dem Quellhäuschen befindet sich weiter hinten auf der rechten Seite. Der Triebwagen gehört – soweit man das überhaupt erkennen kann – zu den ersten beiden Wagenserien (1-7 / 8-32) der Barmer Straßenbahn, deren flache Stirnseiten erst nachträglich mit mehreren kleinteiligen Fenstern verschlossen wurden. Die braune Lackierung deutet ebenfalls auf ein frühes Aufnahmedatum, weil ab 1910 die Plattformen hell lackiert wurden.

Zur Linie 8 – wie sie bis zum Schluss hieß – wurde die Verbindung erst bei der großen Linienreform im Jahre 1929. Aus Ennepetal-Milspe zogen sich die Wuppertaler Stadtwerke 1964 zurück; die Straßenbahn in Schwelm ist seit Mai 1969 – also seit 50 Jahren – Geschichte.

Eine Randnotiz wert ist noch die Tatsache, dass der Anteil der Stadt Schwelm an der Barmen-Schwelm-Milsper Straßenbahn in veränderter Form bis in die Gegenwart Bestand hat. Nach der Stilllegung der Straßenbahn lag die Grenze des Bedienungsgebiets zwischen WSW und Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER) am „Markt“ in Schwelm, die Kreisstadt blieb deshalb mit 3 % an den WSW beteiligt. Erst viele Jahre später übernahm der Ennepe-Ruhr-Kreis als Träger der VER diesen Anteil, der über die Jahre in der Höhe aber zurückgeführt wurde, weil die Bedienungsgebiete jetzt Richtung Schwelmer Stadtgrenze / Langerfeld Dieselstraße korrigiert wurden.

-gk- / Foto: Verlag W.Fülle, Barmen (Sammlung –gk-)

KW05/2019 – Düsseldorf: Eine Königs-, aber keine Schlossallee

Guido KorffBild der Woche

Von einem Schloss im Herzen Düsseldorfs wissen wir nur noch aus Geschichtsbüchern; 1896 ist der Rest der Brandruine abgebrochen worden. Da könnte der unbefangene Düsseldorf-Besucher auf die Idee kommen, dass die repräsentative Königsallee, weithin als „Kö“ bekannt, zu dem nicht mehr vorhandenen Gebäude hingeführt haben könnte. Der gedachte Standort wäre dann im Hofgarten etwas westlich der Stelle gewesen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von der großen Straßenbahn-Wendeanlage „Jan-Wellem-Platz“ eingenommen wurde.

Daran ist mindestens zweierlei falsch:

• Erstens: Das Territorium, das von Düsseldorf aus verwaltet wurde, war das „Herzogtum Berg“, das dem „Bergischen Land“ seinen Namen gegeben hat. Wie der Titel schon sagt, war es kein Königreich. Ein König hatte erst dann das Sagen, als das Gebiet nach den napoleonischen Kriegen ein Teil Preußens wurde. Vor 1814 wäre eine „Königsallee“ also eine Art Amtsanmaßung gewesen.

• Zweitens: Die breite Anlage, die eigentlich zwei komplette Straßen rechts und links eines Wassergrabens umfasst, entstand erst zwischen 1802 und 1804, als die bergischen Herrscher längst von Napoleon abgesetzt worden waren. Sie folgt den ehemaligen Festungsmauern der Stadt, die nach französischem Willen geschleift werden mussten.

• Drittens: Die Allee hieß anfangs schlicht „Neue Allee“, später dann Mittelallee und Kastanienallee. Zur „Königsallee“ wurde sie erst 1851, um Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gnädig zu stimmen, der bei einem Besuch in der Stadt auf dieser Straße in seiner Kutsche mit Pferdeäpfeln beworfen worden war. Damit ist der Punkt „Erstens“ zwar widerlegt, aber das Schloss hatte trotzdem – wir wir ja schon wissen – nicht hier, sondern am Rheinufer gestanden.

Wenn auch sehr repräsentativ war, war die „Neue Allee“ doch eine sehr bürgerliche Angelegenheit und die neue Pferdebahngesellschaft vermutete deshalb genau hier ein zahlungskräftiges Publikum. Im Februar 1876 gehörte folglich die Strecke über die Königsallee zu den ersten Linien des neuen Verkehrsmittels. Sie verlief auf der Ostseite mit den vielen Geschäften.

Auf unserem Bild sehen wir einen Straßenbahnzug, der aus der Schadowstraße kommt, und die Kreuzung mit den Gleisen in der Königsallee gerade hinter sich gelassen hat. Er wird auf Linie 16 über Oberkassel nach Neuss weiterfahren. Nachdem er die Südseite des Kaufhof –Komplexes passiert hat, stößt er am Wilhelm-Marx-Haus auf die „Alleestraße“ (seit 1963 Heinrich-Heine-Allee). Statt geradeaus der Flinger Straße zum ehemaligen Schloss zu folgen, wird er jedoch rechts abbiegen und über die Alleestraße die Oberkasseler Rheinbrücke ansteuern.

Düsseldorf war einer der wenigen Verkehrsbetriebe in Deutschland, die Ende der 1930er Jahre noch Straßenbahnwagen in größerer Zahl beschaffen konnten bzw. durften. Die Düwag lieferte bis 1943 über 60 Stück der formschönen „Niederflurtriebwagen“, deren namengebende geringe Fußbodenhöhe durch das Außendesign aber nur vorgegaukelt wurde. Hinter den Türen verbargen sich also Trittstufen. Zu dem fünffenstrigen Beiwagen der Fa. Weyer aus den 20er Jahren bildet die glatte Karosserie des Triebwagens dennoch einen augenfälligen Kontrast.

Bei dem auf der Ansichtskarte erwähnten Corneliusplatz handelt es sich um die Grünanlage links am Bildrand, die sich entlang des Kaufhof bis zum Hofgarten erstreckt. Sie zerstört leider die Illusion, der rechts sichtbare Wassergraben in der Königsallee sei mit der Landskrone, dem See im Hofgarten, wie ein Kanal verbunden.

Bemerkenswert ist die Verkehrsinsel, die als Bahnsteig für die Trams Richtung Westen dient, während in Gegenrichtung direkt vom Bordstein aus zugestiegen werden kann. Man beachte auch die schöne Uhrensäule neben dem Kiosk an der Haltestelle. Das Rondell rechts bildet den oberen (nördlichen) Abschluss der Königsallee. Unterhalb der Ruhebänke liegt der „Tritonenbrunnen“, der zeigt, wie der griechische Meeresgott Triton einen wasserspeienden Fisch meuchelt.

Heute sieht man an dieser Stelle keine Straßenbahnen mehr. Die pflasterbündige Strecke durch die Königsallee wurde schon am 17. Mai 1955 durch eine neue Nord-Süd-Trasse durch die Berliner Allee ersetzt, die auf eigenem Bahnkörper angelegt wurde. Als 1962 der Jan-Wellem-Platz eröffnet wurde, wechselte auch die Straßenbahnstrecke durch die Schadowstraße auf die Nordseite des Cornelius-Platzes, wo sie bis zur Eröffnung der Wehrhahn-Linie verblieb. Das im Hintergrund sichtbare Stück der Schadowstraße wurde zur Fußgängerzone.

-gk- / Foto: Sammlung -gk

Quellen:
• Wikipedia
• Höltge, Dieter / Kochems, Michael: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland / Band 9: Niederrhein, Freiburg 2004

KW 04/2019 – Düsseldorf: Per Tram zur „längsten Theke der Welt“ ?

Guido KorffBild der Woche

In der letzten Woche war die Ruine des Heidelberger Schlosses zu sehen, das französische Truppen verwüstet hatten. Der pfälzische Kurfürst Johann Wilhelm – besser bekannt als „Jan Wellem“ – wich deshalb auf eines seiner anderen Schlösser aus. Die Wahl fiel auf Düsseldorf, wo Jan Wellem auch schon 1658 geboren worden war.

Von diesem Schloss ist im Stadtbild heute nichts mehr zu sehen, denn es wurde 1872 bei einem Brand schwer beschädigt. Weil weder Behörden (Düsseldorf war mittlerweile preußisch) noch Museen Interesse an einem Wiederaufbau mit anschließender Nutzung hatten, wurde der letzte einigermaßen erhaltene Flügel schließlich 1896 abgerissen. Lediglich ein alter Eckturm blieb erhalten, wobei dessen Form auch schon nicht mehr wirklich historisch zu nennen ist.

Interessanterweise „tarnt“ sich dieser Turm mit der Ortsbezeichnung „Burgplatz“. Etwas nördlich der Altstadt am Rheinufer gelegen, endeten hier die Straßenbahnlinien, die unmittelbar das historische Stadtzentrum dort durchquerten, wo sich heute die „längste Theke der Welt“ erstreckt. Die Führung durch die Flinger Straße schloss sich in direkter Weiterführung an die Strecke aus der Schadowstraße an, die damals den Corneliusplatz südlich tangierte. Danach wurde auch das alte Rathaus passiert.

Auf dem Areal, das das Schloss eingenommen hatte, entstand schon früh eine Gleisschleife, um den hier durchfahrenden und endenden Linien Behinderungen durch das Umsetzen von Beiwagen zu ersparen. Wir erkennen ihren Verlauf links an den Positionen der beiden Triebwagen zwischen Schlossturm und ehemaliger Gemäldegalerie (die ihrerseits an das Rathaus anstößt).

Im Hintergrund ist außerdem die alte Rheinbrücke nach Oberkassel zu sehen. Aus dieser Richtung gab es neben der beschriebenen Altstadtquerung (im Vordergrund) eine weitere Zufahrt über die Mühlenstraße, von woher gerade Triebwagen 485 auf Linie 3 kommt. Er wird gleich nach einer großen Schleife durch die Altstadt nach Gerresheim zurückkehren. Linie 5 (rechts daneben) fährt nach Oberbilk; in der Schleife pausieren die Linien 6 und 11.

Nach der Kleidung der Passanten und der Abwesenheit von Personenkraftwagen zu urteilen, dürfte unser Bild noch vor dem Ersten Weltkrieg ausgenommen worden sein. Triebwagen 485 entstammt aus einer größeren Serie von 85 Triebwagen, die zwischen 1909 und 1912 vom örtlichen Hersteller Weyer geliefert wurde. Er kam also vermutlich schon ab Werk mit einer Verglasung des Fahrerstands, was zu der Zeit noch längst nicht überall Standard war.

Alle hier sichtbaren Fahrzeuge gehörten der städtischen „Düsseldorfer Straßenbahn“, die erst in den frühen 20er Jahren mit der „Rheinischen Bahngesellschaft“ zusammengeführt wurde. Beigefarbene Wagenkästen mit grauen Zierstreifen prägten aber schon damals das äußere Erscheinungsbild der Wagen, wie es bis in die 80er Jahre für die Fahrzeuge des Stadtverkehrs üblich war.

Am 16. Mai 1951 wurde die Wendeschleife am Burgplatz modernisiert und zweigleisig erneuert. Der Preis, den die Fahrgäste dafür zahlen mussten, war allerdings die Einstellung der südlichen Zulaufstrecke über Flinger Straße und Markt. Viele Fahrziele in der Altstadt waren dadurch zu Fuß von der heutigen Heinrich-Heine-Allee schneller als vom Burgplatz aus zu erreichen, so dass die Fahrgastzahlen auf dem Ast durch die Mühlenstraße deutlich abnahmen. Im Zuge des Baus der großen Schleifenanlage am neuen „Jan-Wellem-Platz“ ( da ist er ncoh einmal!) wurde 1962 die Bedienung des Burgplatzes komplett aufgeben.

Doch die weltberühmte Kneipenszene in der Düsseldorfer Altstadt kam erst in den 60er Jahren richtig in Fahrt: Für die Tram zum Bier war es da leider schon zu spät!

-gk- / Foto: Sammlung -gk

Quellen:
• Wikipedia
• Höltge, Dieter / Kochems, Michael: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland / Band 9: Niederrhein, Freiburg 2004

KW03/2019 – Heidelberg: Totgeglaubte leben länger !

Guido KorffBild der Woche

Ende der 60er Jahre geriet die Straßenbahn in Heidelberg in eine Welle von Streckenstilllegungen, die das Netz drastisch verkleinerten und ein baldiges Ende des Gesamtbetriebs befürchten ließen. Der absolute Tiefpunkt war dabei die Aufgabe der Altstadt-Durchfahrt. Außerdem wurden durch Streckenkürzungen mehrere Wendeschleifen abgebaut, so dass dreizehn relativ moderne Einrichtungssechsachser (Bj. 1960/61) nach Mannheim und Mainz verkauft und durch neue Zweirichtungswagen ersetzt werden mussten. Doch der Betrieb konnte sich wider Erwarten halten und baut seit einiger Zeit sogar neue Strecken; die Trasse durch das Neubaugebiet „Bahnstadt“ wurde gerade erst kurz vor Weihnachten 2018 eröffnet.

Die weltbekannte historische Heidelberger Altstadt zwängt sich schlauchartig in das enge Tal, in dem der Neckar den Odenwald durchbricht und nach Westen zum Rhein vorstößt. Diese Position mag zwar in früheren Jahrhunderten militärstrategisch günstig gelegen haben, heute ergeben sich dort jedoch Verkehrsverhältnisse, die selbst das Tal der Wupper noch weiträumig erscheinen lassen Zwangsläufig mussten die neueren Stadtteile in der westlich anschließenden Rheinebene angelegt werden.

Das Straßenbahnnetz entwickelte sich deshalb scheinbar eher in einer Nord-Süd-Orientierung und berührt – zumindest heute – die Altstadt nur am Rande. Die wichtigste Strecke führte jedoch früher mitten durch die Altstadt, entlang der Hauptstraße und parallel zum Neckar. Sie passierte zahlreiche Behörden und Einkaufspunkte. Die Verbindung vom (alten) Hauptbahnhof zum Karlstor am anderen Ende der Altstadt startete folglich schon 1886 als Pferdebahn. Das genannte Tor sehen wir auf unserem Bild, seiner anschließenden Stadtmauern beraubt, im Zentrum einer Straßenbahnwendeschleife.

Kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert kam auch die elektrische Straßenbahn nach Heidelberg. Die Altstadtstrecke war wiederum unter den ersten Linien, die von der neuen Technologie profitierten. Danach zog sich der Netzausbau etwas in die Länge. Neckaraufwärts ging es erst ab 1910 weiter bis Schlierbach und im April 1914 bis Neckargemünd (zusammen ca. 8,2 km).

Da längst nicht alle Bahnen weiter ins Neckartal verkehren sollten, wurde das Karlstor schon früh zu einer wichtigen Endhaltestelle. Ein Grund dafür: Links im Bild sehen wir ein Tunnelportal der „Badischen Odenwaldbahn“, die auf dem Weg vom alten Hauptbahnhof den Schlossberg in mehreren kurzen Tunneln unterquerte. Da sie auf den nächstfolgenden Kilometern direkt am Neckarufer verlief, gab es am Karlstor eine Kreuzung mit der Uferstraße, die mit besetzten Straßenbahnen nicht befahren werden durfte. Ein weiterer Grund war aber auch der hier angelegte Karlstor-Bahnhof, der den zahlreichen Berufspendlern aus dem Neckartal durch Umsteigen schnelleren Anschluss in die Altstadt bot als der Umweg über den Hauptbahnhof.

Schlängelten sich die Bahnen anfangs durch das Tor (warum eigentlich?), umrundeten sie das Bauwerk schon ab 1938 in einer aus beiden Richtungen nutzbaren Wendeschleife. Damit war aber schon 1968 wieder Schluss, denn die Kreuzung wurde großräumig „umgestaltet“ und die Wendeanlage in eine stumpfe Endstelle umgebaut. Nachdem man 1955 den neuen Hauptbahnhof samt Zulaufstrecken nach 47 Jahren (!) Gesamtbauzeit endlich fertiggestellt hatte, waren nämlich die Tunnel der alten Neckartalbahn zu einer Autoumgehung für die Altstadt umgerüstet worden, so dass hier ein neuer Knoten für den Kraftverkehr entstand. Da wir auf dem Foto kein einziges Auto entdecken können (nicht einmal ein parkendes), dürfte es sich bei unserem Bild um eine Aufnahme aus der Zeit unmittelbar nach 1938 handeln.

Der Triebwagen stammt noch aus der ersten Fahrzeuggeneration von 1901/02, was man aus Fensterteilung und Fahrgestellform schließen kann. Zwei zunächst museal erhaltene Exemplare dieser Baureihen sind später leider in Hannover und Marxzell untergegangen.

Zum Schluss noch eine anekdotische „Brücke“ zum Bergischen Land: Johann Wilhelm von der Pfalz – im Rheinland besser bekannt als „Jan Wellem“ – residierte auch deshalb in Düsseldorf, weil das rechts im Hintergrund sichtbare Heidelberger Schloss kurz vor seinem Amtsantritt von französischen Truppen im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs zerbombt worden war!

-gk- / Foto: Sammlung -gk

Quellen:
• Wikipedia
• Basten, Robert / Jeanmaire, Claude: Heidelberger Strassenbahnen, Villigen 1986
• Höltge, Dieter: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland / Band 6: Baden, Freiburg 1999

KW02/2019 – Lübeck: Die wenig bekannte Tram im Norden

Guido KorffBild der Woche

Das Holstentor als Wahrzeichen der Hansestadt Lübeck kennt jeder Westdeutsche, der zu DM-Zeiten groß geworden ist, denn das Bauwerk zierte die Rückseite des „Fuffi“ (= 50 DM). Weniger bekannt ist dagegen die Tatsache, dass Lübeck auch eine Straßenbahn besaß, die sich längst nicht nur auf die Altstadtinsel beschränkte, sondern weit in die nördliche Vororte links und rechts der Trave hinausreichte.

Am 30. April 1881 hatte es mit einer Pferdebahnlinie begonnen, die schon ab Mai 1894 schrittweise auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde. Der Netzausbau zog sich viele Jahre hin, die größte Ausdehnung wurde erst 1928 mit 44,1 km Streckenlänge erreicht. Charakteristisch für die „Netz“-Struktur war das große „Kreuz“ der Strecken, die sich am Marktplatz in der Altstadt trafen und sich weiter draußen verzweigten. Die zweite Besonderheit war die unübliche Spurweite von 1100 mm.

Wie in fast allen Städten führte die erste Linie von der Innenstadt zum Bahnhof. So war es auch hier, wobei dieses Ziel allein noch keine Tram gerechtfertigt hätte, denn der damals wichtigste Bahnhof der Stadt lag direkt vor der Stadtbefestigung in der Nähe des hier sichtbaren Holstentors. Von hier aus reiste man ab 1851 mit der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE) in südlicher Richtung nach Büchen an der Strecke Hamburg-Berlin, um von dort aus Hamburg zu erreichen.

Dieser beträchtliche Umweg (35 km bei ca. 63 km der direkten Verbindung) war der Tatsache zuzuschreiben, dass die damaligen Stadtstaaten Hamburg und Lübeck noch bis 1866 komplett von Dänemark umschlossen waren und der dänische König jede Konkurrenz zu seinem Projekt einer Chaussee zwischen den beiden Hansestädten verhindern wollte.

1908 baute die LBE dann einen neuen Hauptbahnhof etwas weiter vor der Stadt, an den zahlreiche neue Bahnlinien angeschlossen wurden. Dennoch blieb der Lübecker Hauptbahnhof bis 1938 eine reine Privatbahnstation! Die Deutsche Reichsbahn fasste in Lübeck erst Fuß, als im genannten Jahr im Zuge der Planungen für die „Vogelfluglinie“ die LBE und die Kreis-Oldenburger-Eisenbahn Richtung Fehmarn verstaatlicht wurden.

Das Holstentor bzw. „Holsteiner Tor“ (erbaut 1478) diente dem Ausgang aus der Stadt nach Westen ins damals dänische Holstein, im Norden und Osten erstreckte sich eigenes Territorium bis an die Ostsee. Das Stadttor gehörte zu einer Kette von vier hintereinander liegenden Toren. Das Gebäude selbst lag auf einer künstliche Insel, da man parallel zur Trave noch einen Stadtgraben ausgehoben hatte. Diese Insel wurde als Standort für den LBE-Bahnhof ausgewählt. Der Abriss des Torbauwerks konnte damals nur nach langen politischen Verhandlungen verhindert werden.

Wir sehen das Tor hier von der Stadtseite her, die Bahnanlagen kreuzten hinter dem Gebäude, der Kopfbahnhof schloss sich unmittelbar rechts an. Die Pferdebahn fuhr damals nur links am Tor vorbei, durfte anfangs die Bahngleise jedoch nicht kreuzen. Der Senat setzte sich über den Widerstand der LBE aber hinweg und erteilte trotzdem die Genehmigung zum durchgehenden Betrieb. Der hier sichtbare Motorwagen lässt sich wegen seiner vier Seitenfenster den vierzehn Lindner-Wagen der Jahre 1912-14 zuordnen, die hauptsächlich auf den Vorortstrecken zum Einsatz kamen. Der Beiwagen trägt die gelb-braune Lackierung, die nach dem Zweiten Weltkrieg für einige Jahre das Aussehen der Lübecker Straßenbahnen bestimmte.

Seit der Mitte der 20er Jahre verkehrten zusätzlich Omnibusse, die sich in den engen Straßen der Altstadtinsel wohl etwas wendiger bewegen konnten als die vorhandenen Trambahnen. Die Linienäste vom Markt nach Süden und Osten wurden deshalb schon 1935 stillgelegt, da sie überwiegend im engeren Teil der Altstadt verliefen. Die geplante Gesamtumstellung verhinderten die Kriegsvorbereitungen, die Knappheit bei Reifen und Kraftstoffen mit sich brachten. Soweit man die Gleise nicht bereits beseitigt hatte, wurden sogar kurze Abschnitte reaktiviert.

Obwohl insgesamt 19 Verbandstriebwagen – darunter drei Westwaggon-Lenkdreiachser – für eine positive Zukunft sprachen, verkehrte am 15. November letztmalig eine Straßenbahn in Lübeck auf den langen Außenlinien nach Bad Schwartau und Kücknitz / Herrenwyk.

Die noch jungen Verbandswagen konnten nach Kiel verkauft werden; Braunschweig übernahm einige KS-Beiwagen; der restliche Fuhrpark wurde verschrottet. In Kiel wurden die Triebwagen für Einrichtungsbetrieb umgebaut. In diesem Zustand sind zwei Wagen beim Museum am Schönberger Strand erhalten, von denen einer restauriert werden soll, während der andere als Ersatzteilspender vorgesehen ist. Ein Rückbau in den Lübecker Zustand als Zweirichtungswagen wird aber leider für zu aufwändig gehalten.

-gk- / Foto: Sammlung -gk

Quellen:
• Wikipedia
• Höltge, Dieter: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland / Band 8: Schleswig-Holstein, Freiburg 2002