KW06/2019 – Wuppertal: Als die Linie 5 noch zum Schwelmer Brunnen fuhr

Guido KorffBild der Woche

„Grüß Euch Gott alle miteinander – Feldhaus, Tillmann, Rüggeberg und Sander“ sangen nach der Melodie aus der beliebten Operette “Der Vogelhändler” die Wuppertaler, die damals natürlich noch nicht so hießen, wenn sie am Wochenende eine „Trinkkur“ einlegen wollten. Die vier Namen stehen für die Gastwirtschaften, die den Schwelmer Brunnen zu einem populären Ausflugsziel ihrer Zeit machten.

Das Heilwasser, das den Ruhm der Quelle weit vor den Toren der westfälischen Nachbarstadt begründete, war zwar schon versiegt, als die Barmer Straßenbahn den Schwelmer Brunnen erreichte, als Ort für gesellschaftliche Anlässe und Geselligkeit entfaltete die kleine Gruppe von Gastwirtschaften und Hotels aber immer noch eine weit reichende Anziehungskraft. Nicht nur Bier und Wein, sondern auch Konzerte, Tanzveranstaltungen, ja selbst eine Pferderennbahn waren im Angebot.

Der Schwelmer Gesundbrunnen hatte seine Karriere kurz nach 1700 als schwefel- und eisenhaltiges Gewässer begonnen und wurde sogar positiv mit den Quellen im mondänen Pyrmont und in Driburg verglichen. Das neue Bad wurde von da ab rege besucht. Da Trinken und Baden aber nicht den ganzen Tag ausfüllten, entwickelten sich in und neben den Kurhotels auch Unterhaltungseinrichtungen.

Nach 1870 wurde in den benachbarten „Roten Bergen“ der Bergbau wieder aufgenommen, denn vor allem der dort vorkommende hochwertige Schwefelkies ließ sich mit neuen Techniken wirtschaftlicher als zuvor abbauen. Das Befürchtete geschah: Um 1880 versiegte die Heilquelle! Da längere Trink- und Badekuren nun keine Grundlage mehr hatten, mussten sich die Wirte etwas einfallen lassen. Tagesausflügler aus Barmen und Elberfeld waren nun die neue „Zielgruppe“.

Die schon länger geplante Anbindung von Schwelm an das Barmer Straßenbahnnetz erfolgte am 24. August 1897. Dazu muss man auch wissen, dass das Amt Langerfeld damals zum Kreis Schwelm gehörte und Westfalen bereits jenseits der Wupper begann.

Die neue Straßenbahn durchquerte die westfälische Kreisstadt und den wenige Jahre (1890) zuvor eingemeindeten östlichen Nachbarort Möllenkotten, um direkt vor den Gastwirtschaften am Brunnen (genauer: Haus Friedrichsbad) zu enden. Angesteuert wurde die neue Endstation von der Barmer Linie 5.

Obwohl für die neue Strecke eine eigene Gesellschaft, die spätere „Barmen-Schwelm-Milsper Straßenbahn“ gegründet wurde, verkehrten Wagen aus dem Barmer Stadtnetz ohne separate Eigentumskennzeichnung.

Wenige hundert Meter vor der Endstelle war auch ein Betriebshof eingerichtet worden. Von hier aus pendelten ab 1907 die Bahnen auf der neuen Strecke nach Milspe, während die Wagen aus Barmen zunächst weiter zum Brunnen durchfuhren. Als das Angebot Richtung Milspe später verdichtet wurde, gab es nur noch sonntags Fahrten zu den Brunnengaststätten. Um 1913 wurde der kurze Abschnitt schließlich ganz eingestellt.

Wir blicken auf unserem Bild stadtauswärts (Richtung Gevelsberg); das Gleisende liegt noch ein Stück hinter dem Wagen. Der Eingang zum Brunnenpark mit dem Quellhäuschen befindet sich weiter hinten auf der rechten Seite. Der Triebwagen gehört – soweit man das überhaupt erkennen kann – zu den ersten beiden Wagenserien (1-7 / 8-32) der Barmer Straßenbahn, deren flache Stirnseiten erst nachträglich mit mehreren kleinteiligen Fenstern verschlossen wurden. Die braune Lackierung deutet ebenfalls auf ein frühes Aufnahmedatum, weil ab 1910 die Plattformen hell lackiert wurden.

Zur Linie 8 – wie sie bis zum Schluss hieß – wurde die Verbindung erst bei der großen Linienreform im Jahre 1929. Aus Ennepetal-Milspe zogen sich die Wuppertaler Stadtwerke 1964 zurück; die Straßenbahn in Schwelm ist seit Mai 1969 – also seit 50 Jahren – Geschichte.

Eine Randnotiz wert ist noch die Tatsache, dass der Anteil der Stadt Schwelm an der Barmen-Schwelm-Milsper Straßenbahn in veränderter Form bis in die Gegenwart Bestand hat. Nach der Stilllegung der Straßenbahn lag die Grenze des Bedienungsgebiets zwischen WSW und Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER) am „Markt“ in Schwelm, die Kreisstadt blieb deshalb mit 3 % an den WSW beteiligt. Erst viele Jahre später übernahm der Ennepe-Ruhr-Kreis als Träger der VER diesen Anteil, der über die Jahre in der Höhe aber zurückgeführt wurde, weil die Bedienungsgebiete jetzt Richtung Schwelmer Stadtgrenze / Langerfeld Dieselstraße korrigiert wurden.

-gk- / Foto: Verlag W.Fülle, Barmen (Sammlung –gk-)