KW 04/2019 – Düsseldorf: Per Tram zur „längsten Theke der Welt“ ?

Guido KorffBild der Woche

In der letzten Woche war die Ruine des Heidelberger Schlosses zu sehen, das französische Truppen verwüstet hatten. Der pfälzische Kurfürst Johann Wilhelm – besser bekannt als „Jan Wellem“ – wich deshalb auf eines seiner anderen Schlösser aus. Die Wahl fiel auf Düsseldorf, wo Jan Wellem auch schon 1658 geboren worden war.

Von diesem Schloss ist im Stadtbild heute nichts mehr zu sehen, denn es wurde 1872 bei einem Brand schwer beschädigt. Weil weder Behörden (Düsseldorf war mittlerweile preußisch) noch Museen Interesse an einem Wiederaufbau mit anschließender Nutzung hatten, wurde der letzte einigermaßen erhaltene Flügel schließlich 1896 abgerissen. Lediglich ein alter Eckturm blieb erhalten, wobei dessen Form auch schon nicht mehr wirklich historisch zu nennen ist.

Interessanterweise „tarnt“ sich dieser Turm mit der Ortsbezeichnung „Burgplatz“. Etwas nördlich der Altstadt am Rheinufer gelegen, endeten hier die Straßenbahnlinien, die unmittelbar das historische Stadtzentrum dort durchquerten, wo sich heute die „längste Theke der Welt“ erstreckt. Die Führung durch die Flinger Straße schloss sich in direkter Weiterführung an die Strecke aus der Schadowstraße an, die damals den Corneliusplatz südlich tangierte. Danach wurde auch das alte Rathaus passiert.

Auf dem Areal, das das Schloss eingenommen hatte, entstand schon früh eine Gleisschleife, um den hier durchfahrenden und endenden Linien Behinderungen durch das Umsetzen von Beiwagen zu ersparen. Wir erkennen ihren Verlauf links an den Positionen der beiden Triebwagen zwischen Schlossturm und ehemaliger Gemäldegalerie (die ihrerseits an das Rathaus anstößt).

Im Hintergrund ist außerdem die alte Rheinbrücke nach Oberkassel zu sehen. Aus dieser Richtung gab es neben der beschriebenen Altstadtquerung (im Vordergrund) eine weitere Zufahrt über die Mühlenstraße, von woher gerade Triebwagen 485 auf Linie 3 kommt. Er wird gleich nach einer großen Schleife durch die Altstadt nach Gerresheim zurückkehren. Linie 5 (rechts daneben) fährt nach Oberbilk; in der Schleife pausieren die Linien 6 und 11.

Nach der Kleidung der Passanten und der Abwesenheit von Personenkraftwagen zu urteilen, dürfte unser Bild noch vor dem Ersten Weltkrieg ausgenommen worden sein. Triebwagen 485 entstammt aus einer größeren Serie von 85 Triebwagen, die zwischen 1909 und 1912 vom örtlichen Hersteller Weyer geliefert wurde. Er kam also vermutlich schon ab Werk mit einer Verglasung des Fahrerstands, was zu der Zeit noch längst nicht überall Standard war.

Alle hier sichtbaren Fahrzeuge gehörten der städtischen „Düsseldorfer Straßenbahn“, die erst in den frühen 20er Jahren mit der „Rheinischen Bahngesellschaft“ zusammengeführt wurde. Beigefarbene Wagenkästen mit grauen Zierstreifen prägten aber schon damals das äußere Erscheinungsbild der Wagen, wie es bis in die 80er Jahre für die Fahrzeuge des Stadtverkehrs üblich war.

Am 16. Mai 1951 wurde die Wendeschleife am Burgplatz modernisiert und zweigleisig erneuert. Der Preis, den die Fahrgäste dafür zahlen mussten, war allerdings die Einstellung der südlichen Zulaufstrecke über Flinger Straße und Markt. Viele Fahrziele in der Altstadt waren dadurch zu Fuß von der heutigen Heinrich-Heine-Allee schneller als vom Burgplatz aus zu erreichen, so dass die Fahrgastzahlen auf dem Ast durch die Mühlenstraße deutlich abnahmen. Im Zuge des Baus der großen Schleifenanlage am neuen „Jan-Wellem-Platz“ ( da ist er ncoh einmal!) wurde 1962 die Bedienung des Burgplatzes komplett aufgeben.

Doch die weltberühmte Kneipenszene in der Düsseldorfer Altstadt kam erst in den 60er Jahren richtig in Fahrt: Für die Tram zum Bier war es da leider schon zu spät!

-gk- / Foto: Sammlung -gk

Quellen:
• Wikipedia
• Höltge, Dieter / Kochems, Michael: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland / Band 9: Niederrhein, Freiburg 2004