KW 10/2019 – Regensburg: Mit der Tram durch’s Weltkulturerbe ?

Guido KorffBild der Woche

Sie hat nicht lang genug gelebt, um die Aufnahme Ihrer Stadt in den Kreis der Welterbestätten mitzuerleben; die letzte Straßenbahn in Regensburg fuhr am 1. August 1964. Zu dieser Zeit verkehrte nur noch die Linie 1 von Prüfening nach Pürklgut; die anderen Strecken waren teilweise bereits Jahre zuvor eingestellt worden.

Das hier sichtbare Jakobstor liegt an der ehemaligen Linie 1 Richtung Prüfening; der Triebwagen 9 fährt gerade in die Stadt. Die genannte Endstelle – direkt neben einer rege befahrenen Bahnstrecke, die sich hier in die Richtungen Nürnberg und Ingolstadt aufteilte – war in den letzten Jahren der Straßenbahn ein beliebter Standort für die Tramfotografen, die sich eine Dampflok als Bildhintergrund wünschten.

Das alte meterspurige Regensburger Netz bestand im Grundsatz aus einem Streckenkreuz, dessen Arme sich am Domplatz trafen. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, durch welche enge Straßenzüge sich die Bahnen damals schlängeln mussten. Hinzu kamen äußerst enge Kurven. Der Höhepunkt war die Befahrung der „Steinernen Brücke“, mit deren Bau immerhin schon 1135 begonnen worden war. Sie gilt heute als älteste erhaltene Brücke in Deutschland.

Lange Zeit war die Steinerne Brücke, die einzige feste Donauquerung zwischen Ulm und Wien. Der Reichtum der Stadt im Mittelalter geht unmittelbar darauf zurück: der Fernhandel zwischen Ostsee (Hanse) und Adria (Republik Venedig) verlief über diese Brücke. Die örtlichen Patrizier errichteten als Statussymbole sog. „Geschlechtertürme“ nach italienischen Vorbild – sozusagen die „Hochhäuser“ des Mittelalters. Die gute Erhaltung dieser Bauten rechtfertigte dann 2006 den Welterbe-Titel. Umgeben war das Ganze natürlich von einer Stadtmauer, die man heute nur noch an einer Allee nachvollziehen kann. Vom Jakobstor aus dem späten 13. Jahrhundert sind die beiden hier sichtbaren Flankentürme bis heute erhalten geblieben.

Als der Handel von Lübeck nach Venedig auf den Seeweg verlegt wurde, verarmten die Stationen der Landstrecke; auch Regensburg fehlte die Wirtschaftskraft für angestrebte Modernisierungen. Die Ansiedlung von BMW auf dem Gelände der geplanten Kernkraft-Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf (40 km entfernt) brachte aber auch viele neue Firmen nach Regensburg. Die Stadt wächst seitdem kontinuierlich (um ein Drittel in den letzten 20 Jahren!) und kann es sich deshalb leisten, über den Bau einer neuen Stadtbahn nachzudenken. Man hat nämlich erkannt, dass die Fahrgastzahlen im ÖPNV der Stadt nur noch mit einem schienengebundenen Verkehrsmittel gesteigert werden können.

Vorgesehen sind zwei Linien, die teilweise parallel verlaufen. Die Welterbe-Altstadt werden sie aber zwangsweise „links liegen lassen“ müssen. Das Projekt wurde 2018 vom Stadtrat beschlossen. Die Bahn könnte bis 2030 eröffnet sein, denn sogar die örtliche FDP ist dafür, wo doch diese Partei anderswo meistens gegen den städtischen Schienenverkehr schießt.

Der hier gezeigte Triebwagen 9 gehörte zur Erstausstattung der Regensburger Straßenbahn aus dem Jahre 1902; damals wurden von der MAN 16 Fahrzeuge geliefert. Die offenen Plattformen wurden bis 1905 geschlossen. Die Wagenreihe war bis 1948 im Bestand.

Die neuesten Fahrzeuge der Regensburger Straßenbahn waren vier Züge vom Verbandstyp, die Rathgeber in München 1956 lieferte. 1964 nach Darmstadt verkauft, waren sie letzten planmäßig eingesetzten Zweiachser in Deutschland! 1990 kehrte ein Zug nach Regensburg zurück. Um eine nötige Auffrischung will sich ein Förderverein kümmern, der sich 2014 gegründet hat. 2017/18 wurde schon mal der Beiwagen aufgearbeitet. Es wird sogar über einen Museumsbetrieb nachgedacht; eine geeignete Strecke ist aber noch nicht gefunden.

-gk- / Foto: Sammlung -gk-