Die Ornamente rechts unten im Bild verraten, dass der Fotograf seinen Standort auf einer Kirche eingenommen hat: Gleich in vier Richtungen streben die Straßenbahngleise vor der größten gotischen Kathedrale in Deutschland – dem Kölner Dom – auseinander. Wir blicken auf den Platz vor den Portalen, der heute von einem erhöhten Fußgängerbereich, „Domplatte“ genannt, eingenommen wird. Die Straßenbahngleise sind indessen heute alle verschwunden – bzw. „tiefer gelegt“ worden.
Der Straßenbahnzug in Bildmitte wird gleich den Hauptbahnhof erreichen, auf dessen Vorplatz weitere Verzweigungsmöglichkeiten bestehen – u. a. zur Rheinquerung auf dem heute nicht mehr vorhandenen Straßenteil der Hohenzollernbrücke.
Köln geht in seinem Kern auf römische Ursprünge zurück. Die historische Innenstadt liegt direkt am Rheinufer und wird außen vom Halbkreis der „Ringe“ umschlossen. Innerhalb dieser Boulevards erstreckte sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein unübersichtliches Gewirr enger Straßen und Gassen, die für den Betrieb elektrischer Straßenbahnen eher nicht geeignet waren. Ausnahmen bildeten da lediglich einige Straßenzüge, die radial auf Punkte am Rhein – z. B. den Dom / Hbf. – zuliefen, und natürlich die breite Ost-West-Schneise von der Deutzer Brücke zum Rudolfplatz.
Da der Straßendurchbruch zwischen Neumarkt und Heumarkt jedoch erst 1931 angelegt wurde, mussten die Straßenbahnen zuvor einen langwierigen Umweg vom Neumarkt nach Norden zum Dom und zurück zur Brückenrampe nach Deutz zurücklegen. Der Straßenbahnzug in Bildmitte könnte also auf Linie 8 (Müngersdorf – Kalk) unterwegs sein, die aus der Straße „Unter Fettenhennen“ (sie heißt wirklich so!) kommt und im Zuge des oben beschriebenen Umwegs gleich den Dom nach rechts umrundet und sich über den Alten Markt zur Deutzer Brücke durchwuselt. Der Triebwagen mit seinen drei Fenstern dürfte noch zur ersten Baureihe gehören, von der zwischen 1901 und 1908 insgesamt 358 Stück beschafft wurden. Mit nur 8 m Länge eigneten sie sich besonders für die Innenstadtstrecken.
Der Straßenbahnzug am oberen Bildrand kommt dagegen aus der Straße „Burgmauer“. Die zunehmende Verkehrsdichte in der Altstadt (besonderes Hindernis: die Pferdefuhrwerke der Kohlenhändler!) hatte man mit der Einführung von verschiedenen Einbahnstraßen beantwortet, denen sich auch die Straßenbahn anpassen musste. Deshalb hier die eingleisige Strecke; die Gegenrichtung folgte der Komödienstraße. Diese Verbindung zum Friesenplatz wurde dann 1931 der umfassenden Neuregelung der Verkehrsführungen im Zuge des großen Straßendurchbruchs vollends geopfert. Knapp vierzig Jahre später fuhr jedoch gerade im Zuge der Komödienstraße die erste Kölner U-Bahn – übriegns ziemlich genau vor 50 Jahren (ab 11. Oktober 1968)!
Bereits seit den 20er Jahren hatte man in Köln immer wieder mit dem Gedanken an eine Unterpflasterbahn gespielt, zumal Konrad Adenauer, der Kölner Oberbürgermeister in den 30er Jahren, schon damals autokratische Züge an den Tag legte und die Straßenbahn aus einigen Einkaufsstraßen der Innenstadt entfernt sehen wollte. Da das Geld für eine U-Bahn nicht aufzutreiben war, sollte stattdessen der Omnibus den Innenstadtverkehr entlasten. Entsprechende Versuche bewiesen aber das Gegenteil, so blieb einstweilen nur die Modernisierung der Straßenbahn.
Um stark nachgefragte Plätze in der Innenstadt miteinander zu verbinden, wurde schon zu Pferdebahnzeiten die „Rundbahn“ eingerichtet, die später als Linie 18 ihre Kreise um den Dom zog. Da sie zahlreiche enge Ecken zu meistern hatte, kamen auf ihr immer besonders kurze Triebwagen zum Einsatz, die zugleich spurtstark sein sollten, damit eine dichte Wagenfolge eingehalten werden konnte, die die logische Konsequenz der kurzen Wagen war. Leider waren dies in den 30er Jahren zumeist die ältesten Wagen aus der Erstausstattung.
Noch 1939, als andernorts schon längst nicht mehr in Straßenbahnen investiert wurde, beschafften die Kölner Verkehrsbetriebe deshalb eine Serie von 16 Triebwagen, die allein schon durch ihr modernes Äußeres die große Bedeutung der Rundbahn im Kölner Straßenbahnnetz demonstrieren sollten. Sie ähnelten stark den gleichzeitig von der Waggonfabrik Uerdingen gelieferten sog. „Niederflurwagen“, stammten aber vom lokalen Hauslieferanten Westwaggon.
Bei 11,67 m Länge verliehen ihnen ein dreiachsiges Lenkachsen-Untergestell nach Schweizer Vorbild die nötige Kurvengängigkeit und 2x 57 KW Motorleistung eine ordentliche Spurtstärke. Eine Besonderheit bestand noch darin, dass die Wagen zwar für Einrichtungsverkehr ausgelegt waren, jedoch auf beiden Seiten Türen aufwiesen, weil in der Altstadt der Fahrgastwechsel bisweilen auch auf der linken Seite erfolgen musste. Im Museum Thielenbruch kann Tw 1824 aus dieser Serie noch heute besichtigt werden.
Die Rundbahn verlief, vom Barbarossaplatz via Alten Markt kommend, über den Bahnhofsvorplatz (rechts unten) und strebte via Christophstraße (rechts oben) den Ringen und dem Opernhaus zu. Diese letztere Straßenbahnanbindung des Hbf. überlebte auch als einzige den Zweiten Weltkrieg, während die rheinnahen Altstadtabschnitte der Rundbahn nicht wieder aufgebaut wurden.
-gk- / Foto: Sammlung -gk-
Quellen:
• http://martinbrake.de/timelines/cologne (eine phantastische Simulation der Netzentwicklung in Köln!)
• Lindemann, Doris: Kölner Mobilität – 125 Jahre Bahnen und Busse, Köln 2002
• Reuther, Axel: Wagenpark der Kölner Straßen- und Vorortbahnen 1901-1990, Köln 1991