KW48/2018 – Solingen-Ohligs: Aller guten Dinge waren mal drei

Guido KorffBild der Woche

Der Ort unseres heutigen Bildes wurde von den Straßenbahnfreunden zumeist in die andere Richtung fotografiert. Als Motiv dienten dann Wagen der Straßenbahnverbindung von Ohligs nach Opladen, die hier ihren nördlichen Endpunkt hatte. Ein Beispiel für diese Perspektive findet sich in „Haltestelle“ Nr. 120 auf Seite 19. Dort erkennt man im Hintergrund auch noch einen Rheinbahn-Vierachser der Linie O nach Benrath. Die „drei guten Dinge“, die der Titel erwähnt, sind also die drei Straßenbahnbetriebe, die sich an dieser Stelle in Sichtweite begegneten.

Auf alten Ansichtskarten heißt diese Stelle „Keldersplatz“, heute gibt es nur noch die „Keldersstraße“, die quer vor der Häuserzeile im Hintergrund verläuft. Ihren Namen hat sie nach Bürgermeister Theodor Kelders, der von 1863 bis 1889 die Geschicke der Stadt Merscheid in einer entscheidenden Wachstumsphase lenkte. Da die Bahnstrecke Deutz – Gruiten ab 1867 weit an Alt-Solingen vorbeilief, entstand bei der damaligen Hofschaft Ohligs auf dem Gebiet von Merscheid eine Bahnstation, aus der eine aufstrebende neue Siedlung hervorging. 1891 wurde die Stadt Merscheid sogar in „Ohligs“ umbenannt, um die veränderten Größenverhältnisse zu dokumentieren.

Der erwähnte Bahnhof liegt wenige Meter hinter dem Fotografen, Die Eisenbahngleise verlaufen direkt hinter den links sichtbaren Schieferhäusern. Heute sieht es hier ganz anders aus, denn die alten Häuser haben dem Busbahnhof neben dem heutigen Solinger „Hauptbahnhof“ Platz gemacht. Straßenraum und Parkplatz rechts neben der Ausweiche sind dafür heute mit Bäumen begrünt und verdecken die Fassaden.

Mit der Verschiebung des Platzes änderte sich auch sein Name: Der „Bremshey-Platz“ erinnert heute an den Hersteller des Taschenregenschirms „Knirps“, der an dieser Stelle seine ursprüngliche Fertigung unterhielt (Der schärfste Wettbewerber „Kobold“ saß übrigens fast nebenan in Solingen-Wald). Der Schwerpunkt der Industrie in Ohligs waren nämlich nicht Messer und Scheren, sondern Bügel und Gestänge, z. B. für Taschenverschlüsse (z. B. an Geldwechslern) und Regenschirme.

Obwohl die Gebäude im Hintergrund (und rechts am Platzrand) so aussehen, als ob sie der ersten Generation des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg entstammen, sind sie doch älter, denn die Ansichtskarte des bekannten Verlags Max Biegel ist am 22. Juli 1942 verschickt worden. Die neue Bebauung samt großzügigem Platz entstand etwa 1936 nach der Verlagerung der Bremshey-Fabrik, die vorher hier gestanden hatte. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Endstelle der Opladener Bahn einige Meter aus der Düsseldorfer Straße zurückverlegt (Der Bahnhofsvorplatz war ja schon von der Benrather Bahn „besetzt“).

Der sichtbare Straßenbahnwagen kommt von Merscheid. Er hat im Zuge der Kamper Straße die Bahngleise überquert und einen Bogen über die Breite Straße zur Wilhelmstraße ausgefahren, um Höhe zu verlieren; die Rampe im Zuge der heutigen Kieler Straße entlang der Bahngleise gab es damals noch nicht.

Der Wagen gehört zur „Solinger Kreisbahn“, die im Umland der Stadt Solingen verkehrte, die ihre eigene „Straßenbahn der Stadt Solingen“ ins Leben gerufen hatte. Die Kreisbahn verkehrte anfangs mit den drei Linienkennzeichen O, W und V. Die Linie „O“ von Solingen-Schlagbaum nach Ohligs über Merscheid wurde durch die Linie „W“ über Wald zurück nach Solingen zu einem Ring ergänzt, den heute auch noch der Obus befährt. Das „V“ stand natürlich für Schlagbaum – Vohwinkel.

Stadt- und Kreisbahn gelangten schon 1902/03 gemeinsam unter die Kontrolle der Union Elektrizitäts-Gesellschaft (UEG), wurden aber bis 1929 rechnerisch getrennt verwaltet. Mit der großen Kommunalreform 1929 wurde daraus zunächst eine „Betriebsgemeinschaft“, ab 1932 dann die „Städtische Straßenbahnen Solingen GmbH“.

Die parkenden Pkw und der Stangenstromabnehmer grenzen den Aufnahmezeitraum auf die späten 30er Jahre ein, denn die Umstellung auf Scherenbügel erfolgte schon vor dem Krieg (ca. 1938). Der Wagen gehört zu einer der beiden Bauserien 111-120 bzw. 121-126, die 1926/27 mit Doppelscheinwerfern geliefert wurden. Grund dafür war wohl die geplante Wiederaufnahme der Streckenverlängerung nach Haan, deren Bau bereits 1913 begonnen hatte, aber (dauerhaft) unvollendet blieb.

-gk- / Foto: Sammlung -gk-

Quellen:
• Dirlam, Horst / Reimann, Wolfgang R.: Mit der Elektrischen durch Solingen, Wuppertal 1988
• Wikipedia