KW46/2023 – Trondheim: Zum Verschrotten zu schade…

Guido KorffBild der Woche

Sie sind unverkennbar: Die eckige Form prägt die Wagen aus der LHB-Produktion der frühen 80er Jahre! Braunschweig beschaffte 1981 mehrere Züge aus vierachsigen Trieb- und Beiwagen, aber es sollte noch mindestens einen weiteren Liebhaber der design-befreiten “Schuhschachteln” geben: die Vorortbahn der norwegischen Stadt Trondheim. Die Wagen wurden dort 1984 als Sechsachser beschafft, allerdings mit einer entscheidenden Besonderheit: Obwohl auf Meterspur unterwegs, sind sie 2,60 m breit! Damit ließen sich die fast neuen Wagen nach der Betriebseinstellung 1988 nicht verkaufen.

Das Straßenbahnnetz von Trondheim bestand in den letzten Jahren aus zwei städtischen Linien, die von vierachsigen Großraumwagen einer Bauart befahren wurden, die den späteren LHB-Wagen in ihrem eckigen Äußeren schon sehr ähnlich sah. Die Hauptlinie 1 folgte langgestreckt der Küstenlinie, während die kreuzende Linie 2 den Bahnhof mit dem Ortsteil Elgeseter verband, wo sich auch der Betriebshof befand. Die von dieser Strecke abzweigende Linie 3 nach Singsaker war schon 1968 eingestellt worden.

Am westlichen Ende der Linie 1 in Ila nahm die Vorort-Straßenbahn nach Lian ihren Anfang. Die “Gråkallbanen” wurde zwischen 1924 und 1933 eröffnet und war damals knapp 8 km lang. Um das Stadtzentrum zu erreichen, verkehrten die Vorortbahnwagen aber von Beginn an über einen Teil der städtischen Strecke bis zur St. Olavs gate. Später entstand dort auch eine Endschleife in Form einer Blockumfahrung. Damit war eine Linienlänge von 8,8 km erreicht Die Gråkallbanen überwindet einen beachtlichen Höhenunterschied, bis sie in Lian an einem beliebten Ausflugsrestaurant endet. Im Winter tummeln sich hier die Freunde des Ski- und Rodelsports. Der eigene Betriebshof Munkvoll wird nach etwa Zweidrittel der Fahrstecke passiert.

1972 wurde die Vorortbahn in den städtischen Verkehrsbetrieb integriert. Um das Wagenmaterial aus den 20er Jahren zu erneuern, kaufte die Gesellschaft 1984 elf neue Gelenkwagen von LHB mit der für Meterspur ungewöhnlichen Breite von 2,60 m. Dies war problemlos möglich, weil die Bahnen in der Stadt auf einem Abschnitt verkehren, wo die Gleise jeweils am Straßenrand liegen, und im Vorortbereich eigentlich nur eingleisiger Betrieb vorkommt. Diese auf Komfort für die Fahrgäste ausgelegte Entscheidung sollte jedoch noch schwerwiegende Folgen haben.

Schon wenige Jahre später beschloss der Stadtrat die Einstellung der Straßenbahn für das Jahr 1988. Da sich über die Jahre eine Reihe von historischen Straßenbahnwagen erhalten hatte, lag es nahe, die landschaftlich reizvolle Vorortbahn in einen Museumsbetrieb umzuwidmen. Der Betriebshof Munkvoll stand aber noch voller Gelenkwagen! Dem Verkauf dieser noch jungen Fahrzeuge stand jedoch die Wagenbreite im Wege. Der Versuch, die kaum abgeschriebenen Bahnen einem Schrotthändler zu übergeben, stieß dann zu Recht auf Proteste der örtlichen Steuerzahler.

Eine Gruppe von Straßenbahnfreunden gründete deshalb eine neue Gesellschaft, die 1990 den Fuhrpark und die modernisierte Werkstatt in Munkvoll übernahm und wieder regelmäßige Fahrten anbot. Der neue Betrieb war durchaus erfolgreich und erwirtschaftete stets schwarze Zahlen, jedoch nicht genug Mittel, um auch ausreichende Rücklagen für Erneuerungen bilden zu können. Schweren Herzens veräußerten die Straßenbahnfreunde den Betrieb deshalb 2008 an die französische Firma Connex (später Veolia). 2011 zog sich Veolia aus Norwegen zurück und einheimisches Management mit chinesischem Kapital im Rücken trat an die Stelle der Franzosen. Die neue Gruppe firmiert als “Boreal”, was von “Aurora borealis” abgeleitet sein könnte und für “Polarlichter” steht. Der abgebildete Gelenkwagen auf der imposanten Hoemsbrua mit Haltestellen auf beiden Seiten trägt die Eigenwerbung seines Verkehrsbetriebs.

Der Rückstand bei den Erneuerungen der Strecke ist immer noch – vor allem im Stadtbereich – unübersehbar. Dennoch gab es immer wieder Pläne, die Strecke weiter in das Stadtzentrum hinein zu verlängern. Aber selbst die Überbrückung der Distanz von einem Block zur Hauptstraße Prinsens gate mit ihren wichtige Buslinien ist scheinbar immer am fehlenden Geld gescheitert. Jenseits der Prinsens gate beginnt dann schon der Fußgängerbereich des Stadtkerns.

Eine Anmerkung zum Schluss: Van Hool ExquiCity Doppelgelenk-Hybridbusse sind auf den Buslinien in der Prinsens gate schon in größerer Anzahl anzutreffen und wirken zumindest von außen leider wie die modernere “Straßenbahn”.

-gk- / Foto: -gk-