KW39/2023 – Oslo: Tram-Train? Nein: Tram-Metro!

Guido KorffBild der Woche

Das schienengebundene Nahverkehrsnetz der norwegischen Hauptstadt ist von einer vielfältigen Geschichte geprägt. Straßenbahnen und Vorortbahnlinien sind über die Jahre zusammengewachsen und haben ihre Erscheinungsformen teilweise deutlich verändert.

Die Entwicklung geht zurück bis in eine Zeit, in der Norwegen noch ein Teil von Schweden war. Schon 1894 eröffnete in Kristiania, wie die Stadt damals seit einer früheren Union des Landes mit Dänemark noch hieß, die erste elektrische Straßenbahn. Sie führte vom Vorplatz des westlich der Innenstadt gelegenen Hauptbahnhofs quer durch die Innenstadt zum Stadtteil Majorstua. Von dort startete ab 1898 eine elektrische Vorortbahn, die A/S Holmenkolbanen, auf die angrenzenden Höhenzüge. Wer den Namen der Gesellschaft hört, denkt sogleich an die Olympischen Winterspiele von 1952, die die Holmenkollen-Skisprungschanze weltberühmt gemacht haben. Das modernisierte Bauwerk wird auch heute noch von Sportfans und Touristen gerne per Bahn besucht und liegt weithin sichtbar am Berghang. Die Bahnstrecke überwindet bis zum Endpunkt Frognerseteren sogar über 450 Höhenmeter. Bemerkenswert an der Bahn waren ihre markanten Wagen mit Holzlattenverkleidung an den Außenseiten und einer Breite von 3,20 m von Beginn an. Im Laufe der Zeit entstand dann im Westen der Stadt ein ganzes Bündel von Linien.

Unabhängig davon dehnte sich auch das städtische Straßenbahnnetz ins Umland aus und erhielt dort den Charakter eines Überlandnetzes mit schweren Vierachsern, die aber nur 2,20 m breit waren. Ab 1917 fuhr eine neue Gesellschaft zum Ekeberg, ab 1919 eine weitere Gesellschaft nach Lilleaker im Westen Oslos. 1930 wurde von dort aus Kolsås erreicht.

Seit dem 28. Juni 1928 tauchten die Wagen der Holmenkoll-Bahn am Bahnhof Majorstua in eine kurze unterirdische Strecke ab, so dass sehr schnell das Zentrum der Stadt am Nationaltheater erreicht wurde. Seitdem heißt der Betrieb “Tunnelbanen” oder kurz “T-banen“.

Die neue flotte Verbindung weckte das Interesse der Gemeinden, die durch die Lilleaker-Bahn bedient wurden. Das Ergebnis war 1942 der Bau einer Verbindung von der “breiten” zur “schmalen” Vorortbahn, die fortan im Außenbereich im Mischbetrieb unter einer gemeinsamen Oberleitung mit 600 V verkehrten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dehnte sich die Stadt vor allem im Osten aus; die dorthin verkehrenden Schnellstraßenbahnen wurden daher zu U-Bahnen mit einem hohen unterirdischen Anteil ausgebaut. Während die Wagenbreite der T-banen von 3,20 m beibehalten wurde, erfolgt die Energieversorgung per Stromschiene. Die beiden auf diese Weise entstandenen Teilnetze wurden später durch einen Tunnel unter der Innenstadt hindurch miteinander verbunden und technisch aneinander angeglichen. Die westlichen Strecken sind in diesem Zuge auf Stromschiene umgerüstet worden.

Beibehalten wurde jedoch der Mischbetrieb von T-banen und Straßenbahn auf der Linie 13 in Richtung Kolsås. Kurz vor Jar fädelt sich die Tram in die Metro-Strecke ein und teilt sich mit dieser die Gleise bis zur übernächsten Haltestelle “Bekkestua”. Anders als in Jar und Ringstabekk liegen die Haltestellen dort aber nicht getrennt voneinander, stattdessen benutzen die Straßenbahnen ein Stumpfgleis am Metro-Bahnsteig für die Wende.

Der hier links sichtbare Triebwagen vom Typ SL-95 gehört zu den 32 “Italienern” von Ansaldo, (Bj. 1999-2004) die beim Betrieb und beim Personal nicht sonderlich beliebt sind. Es fahren auch noch zahlreiche Duewag-Wagen vom Typ SL-76, die teilweise schon 40 Jahre alt sind. Als Einrichtungswagen sind sie aber für den Metro-Abschnitt nicht geeignet. “Dritter im Bunde” der aktuellen Straßenbahn-Typen sind die SL-18 von CAF, von denen auch schon eine größere Zahl im Einsatz anzutreffen ist.

Rechts entfernt sich gerade ein U-Bahn-Zug der aktuellen Generation MX3000 von Siemens, die ab 2003 geliefert wurden. Während bis dahin alle Wagen als Einzelfahrzeuge konzipiert waren,  bestehen die MX3000 aus drei Wagen, die über Durchgänge miteinander verbunden sind. Auf den modernen Strecken fahren stets zwei Garnituren, mithin Sechs-Wagen-Züge. Die Ausnahme bildet die alte Holmenkoll-Bahn. Sie war  für Zwei-Wagen-Züge konzipiert und ist nie erweitert worden. Folglich verkehrt hier nur eine einzelne Garnitur MX3000, bei der zudem nur an den ersten beiden Wagen ein- und ausgestiegen werden kann. Aber es gibt auch die Ausnahme von der Ausnahme: Die Station bei der Sprungschanze lässt auch Sechs-Wagen-Züge zu, die dann aber ab Majorstuen als Sonderzüge ohne Zwischenhalt durchfahren müssen. 

-gk- / Foto: -gk-