Die Hersteller von Trolleybussen propagieren seit einiger Zeit Duo-Busse in einer Antriebskombination aus Oberleitung und Batterien. Um Standzeiten an den Endhaltestellen oder unnötige Rückfahrten zu den Betriebshöfen einzusparen, erfolgt die Aufladung der Batterien dieser Fahrzeuge während der Fahrt unter vorhandenen Fahrleitungen – aber dazu muss erst mal eine da sein!
Die Fa. Kiepe Electric vermarktet ihre Lösung für das Batterie-Laden während der Fahrt als “In-Motion-Charging” (IMC); betont also den Aspekt der “Bewegung”. In Wahrheit kommt es darauf aber nicht an, wie wir an diesem “Bild der Woche” erkennen können. Da das Düsseldorfer Unternehmen nur elektrische Ausrüstungen fertigt, arbeitet es mit verschiedenen Herstellern von Trolleybussen zusammen und beliefert diese mit den notwendigen Komponenten. Einer dieser Hersteller ist die Fa. Van Hool, die ihren Sitz in Lier bei Antwerpen hat.
Die orangefarbene Wagenecke auf dem Foto lässt für Fachleute erkennen, dass es sich um einen Exqui.City 24T mit IMC für Linz handelt. Die 24 m langen Doppelgelenk-Trolleybusse wurden 2017 in Lier produziert und nach Österreich geliefert. Um im Werk Probefahrten durchführen zu können, wurde für das Laden der Traktionsbatterien eine ca. 2 m lange „Teststrecke“ unter der Decke der Werkshalle montiert. Die Stromversorgung erfolgte über eine von Kiepe gelieferte Einspeisebox, die 32 A Ladestrom liefern kann. Damit war die seinerzeit einzige und zugleich kürzeste Obus-Linie Belgiens entstanden!
Jedoch hat sich gezeigt, dass die Ladeleistung für die 26-kWh-Lithium-Eisenphosphat-Traktionsbatterien der Elektrobusse hoffnungslos unterdimensioniert war und dadurch der Ladevorgang zu lange dauerte. Kurzerhand stellte Van Hool dann doch ein 90 kW-Dieselaggregat hinter den Bus, um den Strom schneller übertragen zu können. Mit der Traktionsbatterie wird danach eine Reichweite von bis zu 7 km erreicht.
Die gute Marktposition von Van Hool im Obus-Geschäft verwundert, wenn man sich die Geschichte des Obusses in dem Land anschaut. 1929 wurde in Antwerpen die erste Trolleybus-Linie in Belgien eröffnet, zur besten Zeit gab es Trolleybusse in Antwerpen, Brüssel (eine Linie) und Lüttich (Liège). Die Betriebe in Antwerpen und Brüssel wurden 1964 eingestellt und nach der Stilllegung in Lüttich war Belgien ab 1971 „trolleybusfrei“. Aber damit war die Geschichte des Trolleybusses in Belgien noch nicht zu Ende: 1989 wurde in Gent eine 8,5 km lange Trolleybus-Linie eröffnet, die allerdings bereits 2009 nach 20 Jahren wieder eingestellt wurde.
Wenngleich der Trolleybus in der belgischen Verkehrsgeschichte also keine große Rolle gespielt hat, so sei doch noch an zwei bemerkenswerte elektrisch angetriebene Bus-Konstruktionen erinnert, die in belgischen Städten zu sehen waren. Die eine ist ein dreiachsiger – aber einteiliger (!) – Zweirichtungsobus, von dem vier Stück von 1936 bis 1964 im Dienste der Überlandstraßenbahn Lüttich – Seraing verkehrten. Diese Fahrzeuge besaßen jeweils zwei nach Fahrtrichtung entgegengesetzt ausgerichtete Stromabnehmerpaare. Die zweite Innovation war dagegen ihrer Zeit (zu) weit voraus. In Gent verkehrte von 1956 – 59 eine Gyrobus-Linie mit Bussen und Technik der Schweizer Maschinenfabrik Oerlikon (MFO). An den Ladestellen wurden drei Trolleystangen angehoben und das Schwungrad (Gyro = griechisch für “Kreisel”) im Bus elektrisch beschleunigt. Obwohl das Verfahren zuverlässig funktionierte, waren der technische Aufwand und das “tote” Gewicht des Schwungrads gegenüber Dieselbussen nicht konkurrenzfähig. In Gent ist seitdem der einzige Gyrobus von MFO museal erhalten.
Eine kurze Renaissance erlebte der Ansatz um die Jahrtausendwende mit “Super-Caps”, bis Batterien endgültig die Speicherfunktion an Bord der Fahrzeuge übernahmen. Eingesetzt wurden die Hochleistungs-Kondensatoren sowohl in Bussen als auch in Straßenbahnen.
Text: Carsten Kossow / Foto: Jörg Wentscher