KW35/2023 – Duisburg: Hohenzollernbrücke auf Abwegen

Guido KorffBild der Woche

Auf diesem Bild sehen wir den wohl äußersten seltenen Fall einer Brücke, die an zwei verschiedenen Orten von Straßenbahnen befahren wurde. Es handelt sich um einen Teil der “Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brücke”, die als letzte Querung die Ruhr vor ihrer Mündung in den Rhein überschreitet. Zum Brückenzug gehört noch ein zweites Feld (im Hintergrund zu erkennen), das den Hafenkanal zum ehemaligen Kaiserhafen hin überbrückt.

Wie der Titel schon erahnen lässt, gibt es eine Verbindung nach Köln. Im “Bild der Woche” für die KW33/2023 kann man nachlesen, dass die berühmte Kölner Eisenbahnbrücke vom Hauptbahnhof nach Deutz aus drei parallelen Brückenzügen bestand, von denen zwei mit insgesamt vier Gleisen der Eisenbahn vorbehalten waren. Die dritte Abteilung diente dagegen dem Straßenbahnverkehr, zu dem auch eine zweigleisige Straßenbahnstrecke gehörte. Dieser Teil wurde nicht wieder aufgebaut. Der neue Brückenteil für die S-Bahn entstand dagegen bis 1989 auf der anderen, nördlichen Rheinseite. Die Gesamtlänge der Brücke in Köln beträgt ca. 410 m. Dabei sind alle drei Bögen unterschiedlich lang; die Schiffsdurchfahrt in der Mitte naturgemäß am längsten. Der östliche Bogen, um den es hier geht, erstreckt sich auf 122,56 m.

Als die Deutsche Wehrmacht die Hohenzollernbrücke gegen Kriegsende unbrauchbar machte, wurden die stählernen Überbauten nur gering beschädigt. Die gesprengten Pfeiler ließen die Fachwerk-Konstruktionen lediglich mehr oder weniger intakt in den Rhein abstürzen. Ähnliche Probleme plagten die Stadtväter in Duisburg, wo die wichtige Verbindung von der Kernstadt in den nördlichen Stadteil Ruhrort ebenfalls einer sinnlosen Zerstörung zum Opfer gefallen war. Die bis dahin auch dort dreifeldrige Flußquerung wurde dann 1949 durch den überzähligen östlichen Bogen der Kölner Hohenzollernbrücke ersetzt. Der war zwar etwas zu kurz, konnte aber mit tragbarem Aufwand ergänzt werden. Nettes Detail am Rande: Ein Feld der in Duisburg zerstörten Brücke war noch gut genug erhalten, um nun seinerseits zu wandern und als “Prinz-Brücke” den Dortmund-Ems-Kanal in Münster-Hiltrup zu überqueren.

Auch Duisburgs wichtigste Straßenbahn-Linie 901 befährt die Oberbürgermeister-Karl-Lehr-Brücke. In die Amtszeit dieses Politikers fiel nicht nur der Start des Hafenausbaus zum größten Binnenhafen der Welt, sondern 1905 auch die Eingemeindung von Ruhrort und Meiderich (das weiter nördlich gelegene Hamborn kam erst 1929 dazu). Karl Lehr legte 1914 seine Ämter aus Altersgründen nieder und starb 1919.

Das gezeigte Motiv wird bereits in Kürze nicht mehr zu fotografieren sein: Die Hochflur-Gelenkwagen mit ihrem seltsamen Design zählen nicht zu den “Highlights” der Düwag-Schöpfungen und haben Duisburg wenig Freude bereitet. Mit dem zusätzlichen Wagen-Modul mit dem niederflurigen Einstieg hat Duisburg allerdings eine “Tradition” aus den 1970er Jahren wiederbelebt, als es dort schon einmal zehnachsige Gelenkwagen auf fünf Drehgestellen gab. Die Nachfolge-Generation steht schon in den Startlöchern, kommt aber wohl wegen einiger Kinderkrankheiten noch nicht recht in Fahrt.

Die Brücke macht dagegen schon sehr bald neuen Überbauten Platz, die links am Bildrand bereits erkennbar sind und auf ihre Verschiebung in die alte Straßenachse warten. Am 25. September 2023 wird der Brückenzug für den gesamten Verkehr gesperrt, die Freigabe der erneuerten Strecke ist für Ende Dezember 2023 geplant. Die neuen Konstruktionen sind so breit gehalten, dass der Straßenbahn sogar ein eigener Bahnkörper und dem Autoverkehr vier Fahrspuren zugeteilt werden können.

-gk- / Foto: -gk-