KW23/2022 – Lissabon: Die Bahn im Schaufenster

Guido KorffBild der Woche

Straßenbilder aus Lissabon sind immer schön anzuschauen. Dieses hier hat der Redakteur mal ohne Hintergedanken an eine “Message” ausgewählt, weil ihm der gelungene Schnappschuss so gut gefallen hat.

Wir sehen Triebwagen 578 im Einsatz auf Linie 28, wie er gerade die Rua da Prata in der Unterstadt der portugiesischen Hauptstadt überquert. Nicht nur die Sitzplätze sind komplett belegt, sondern auch im Mittelgang drängen sich zahlreiche stehende Fahrgäste. Die Beliebtheit der altertümlich wirkenden Bahnen ist also groß, zu manchen Zeiten warten die Touristen an den Haltestellen geduldig in einer langen Schlange, um eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern.

So “nostalgisch” das Gefährt auf den ersten Blick auch aussieht – das technische Innenleben wurde von der Fa. Kiepe Electric umfassend erneuert. Die Falttüren und der Einholmstromabnehmer sind die äußeren Kennzeichen dieser Modernisierung. Dabei erscheint es bemerkenswert, dass die Wagen auch alle noch einen Stangenstromabnehmer tragen und diesen offensichtlich auch rege benutzen.

Der Clou an dem Foto ist aber ein anderer: Was links in dem Laden wie ein dekoratives Werbeposter aussieht, ist doch eine echte Straßenbahn. Einer der Wagen, die speziell für Touristen-Rundfahrten hergerichtet sind, folgt Tw 578 in kurzem Abstand. Der Fotograf hat genau den Moment erwischt, in dem die Wagenfront durch die geöffneten Ladentüren “um die Ecke” schaut.

Die Touristenbahnen sind rot lackiert und auch etwas altmodischer hergerichtet. An der Frontseite erkennen wir hier einen Fangkorb, von dem man früher erhoffte, dass er vor die Tram gestürzte Menschen davor behütet, überrollt zu werden. Ob das je funktioniert hat?

Der Wagen der Linie 28 fährt auf der Rua da Conceição Richtung Westen bis zum Eingang des großen Friedhofs von Prazeres (unbedingt anschauen, am anderen Ende auch ein toller Ausblick auf die Tejo-Brücke!). Das einzelne, querende Gleis führt die Gelenkwagen der Linien am Tejo-Ufer zu ihrer Endstelle im Stadtzentrum am Praça da Figueira, zurück zum Fluß geht es in einer Parallelstraße.

Im Vordergrund weicht der Bordstein des mit Mäander-Muster gepflasterten Bürgersteigs etwas zurück. Er macht Platz für den Gleisbogen, der die beiden kreuzenden Strecken miteinander verbindet. Denn obwohl die kleinen und wendigen Lissabonner Straßenbahnen Steigungen und Kurven virtuos meistern, stoßen sie an mancher Ecke in der Innenstadt doch an ihre Grenzen – und hier befinden wir uns in der “Neustadt”!

-gk- / Foto: Carsten Kossow