KW14/2022 – Linz: High-Tech im alten Gewand

Guido KorffBild der Woche

Als Wahrzeichen der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz ist der Pöstlingberg (539 m) auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Besucher finden dort oben die weithin sichtbare Wallfahrtskirche von 1748, die Märchenwelt in der Grottenbahn, den Zoo und einen großartigen Ausblick über die Stadt bis zu den Voralpen. Das beliebte Ausflugsziel sollte bis 2009, dem Jahr von Linz als „Europäischer Kulturhauptstadt“, an Attraktivität gewinnen. Ein Teilprojekt betraf auch die Zufahrt zum Berggipfel.

Erreichbar ist der Pöstlingberg seit 1898 mit der meterspurigen Pöstlingbergbahn. Sie gilt als die steilste und längste Adhäsionsbahn der Welt. Obwohl einige Teilstücke in der Altstadt von Lissabon mit 145 ‰ steiler sind, kann man am Pöstlingberg von einer kontinuierlichen Steigung (88 ‰) auf einer Länge von 2,9 km sprechen. Das steilste Teilstück weist immerhin eine Neigung von 116 ‰ auf.

Da die bestehenden Fahrzeuge der Pöstlingbergbahn mittlerweile in die Jahre gekommen waren und die Stadt Linz den Berg besser erschließen wollte, wurde beschlossen, bis 2009 die Pöstlingbergbahn umfassend zu modernisieren. Auf der Grundlage des österreichischen Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, das einen barrierefreien Zugang zum öffentlichen Verkehr verlangt, wurden als Ersatz für die vorhandenen Fahrzeuge vier vierachsige Niederflur-Gelenkwagen angeschafft.

Im Zuge dieser Investition in Neufahrzeuge wurde dann beschlossen, die auf der Strecke verwendeten Keilkopfschienen durch heute gebräuchliche Vignolschienen auszutauschen. Gleichzeitig wurde die Spurweite von 1000 mm auf 900 mm verringert, um die bis dahin separate Pöstlingbergbahnstrecke an das Netz der Linzer Straßenbahn anzuschließen. Dadurch wurde eine Weiterfahrt der Pöstlingbergbahn vom alten Endbahnhof Urfahr bis zum zentralen Linzer Hauptplatz möglich.

Mitte 2006 war es dann soweit: Das österreichische Bundesdenkmalamt erteilte die Bewilligung zur Revitalisierung der Pöstlingbergbahn, so dass der Betreiber, die Linz Linien AG, den Umbau in Angriff nehmen kann. Als besondere Attraktion sollen aber auch drei jüngere Exemplare der historischen Bergbahnwagen (Nr. VIII, X und XI) an die neue Gleisanlage angepasst werden. Nach einer europaweiten Ausschreibung der Modernisierung der drei historischen Straßenbahnen und den Kauf von vier neuen Fahrzeugen im Retro-Look konnten im Februar 2007 dann die Aufträge vergeben werden.

Da das technische Konzept der zu modernisierenden historischen Fahrzeuge schon über 100 Jahre alt war, entsprachen sie nicht mehr den sicherheitstechnischen Anforderungen der heutigen Zeit. Durch den bereits erwähnten Umbau der Schienen mussten zudem die Zangenbremsen, die nur in Verbindung mit den Keilkopfbremsen funktionieren und die die Fahrzeuge bis dahin sicher gebremst haben, leider entfallen. Daher kam bei den historischen Fahrzeugen neben einer neuen Drehstrom-Antriebsausrüstung auch ein neues Bremssystem (Federspeicher und Magnetschienenbremse) zum Einsatz. Da die Untergestelle und die Fahrwerke komplett erneuert wurden, war im Unterbau ausreichend Platz, um zwei Unterflurcontainer mit je einem Drehstrom-Umrichter unterzubringen. Somit wird jede Achse über einen separaten Umrichter angetrieben. Ein zusätzlicher Wunsch der Linz Linien war die Einsetzbarkeit der revitalisierten Fahrzeuge im Zugverband. Im Linienbetrieb können somit zwei historische Fahrzeuge gekuppelt werden.

Die Aufarbeitung der Wagenkästen mit Erneuerung des Innenraum und vor allem der beiden Fahrerstände erforderte von den beteiligen Firmen Heiterblick in Leipzig und Vossloh Kiepe (heute Kiepe Electric) in Düsseldorf einige Anstrengungen, da das Bundesdenkmalamt die Beibehaltung der historischen Optik forderte. Nach einigem Hin und Her und vielen Projektverzögerungen konnte daher erst im November 2009 der erste Triebwagen (Nr. VIII) nach Linz überführt werden (Die Umstellung der Pöstlingbergbahn auf die neue Spurweite war termingerecht Ende Mai 2009 erfolgt, es verkehrten aber vorerst nur die neuen Wagen).

Bei der sofort begonnenen dynamischen Inbetriebnahme stellten sich jedoch rasch Probleme ein: Die optischen Sensoren für die Referenzdrehzahl konnten die Erwartungen nicht erfüllen. Hinzu kamen Probleme mit der Kupplung zwischen Motor und Getriebe, weshalb eine dreiwöchige Zwangspause eingelegt werden musste. Doch noch vor Weihnachten 2009 konnten notwendige Messungen und die ersten Fahrten durch Linz stattfinden. Die ersten Bergfahrten auf den Pöstlingberg fanden dann am 25. Januar 2010 bei tiefwinterlichen Bedingungen statt. Unser “Bild der Woche” zeigt den Triebwagen VIII unmittelbar nach der Rückkehr von diesen ersten Bergfahrten im Talbahnhof der Pöstlingbergbahn am Abend des 25. Januar 2010.

In der folgenden Zeit wurde der Antrieb optimiert und die Fahrten am Berg wurden zur Routine. Als dann der zweite Triebwagen (Nr. X) eintraf, konnte das Fahren im Zugverband getestet werden. Nur die bereits erwähnten optischen Sensoren zur Ermittlung der “Referenzdrehzahl” machten weiterhin Schwierigkeiten. Diese Sensoren sollten unabhängig vom Antrieb die Fahrgeschwindigkeit entlang der Strecke messen und vor dem Durchdrehen oder Durchrutschen der Räder warnen. Da sie nicht zufriedenstellend verbessert werden konnten, musste stattdessen die Antriebssoftware komplett umgeschrieben werden. In unzähligen Nächten wurde umprogrammiert und getestet, bis dann Ende März 2010 die endgültige Antriebssoftware zur Verfügung stand.

Mittlerweile kam wieder der Frühling ins Land und der Pöstlingberg zeigte sich von seiner schönsten Seite. Nach dem mit der Zulassungsbehörde abgestimmten Testplan mussten bei jedem Triebwagen zahlreiche Bremsmessungen durchgeführt werden. Auch hierbei traten Probleme auf, die aber letztendlich gelöst wurden. Weiterhin wurde bei der Aufarbeitung der Wagenkästen die unterste Stufe der Einstiegstreppe verbreitert, um die Sicherheit der Fahrgäste zu verbessern. Allerdings konnte dadurch die Hüllkurve nicht mehr eingehalten werden. Somit mussten nun erst noch die Bahnsteige geändert werden, bevor dann im August 2010 die Betriebsbewilligung von der Zulassungsbehörde erteilt wurde und der Fahrgastbetrieb mit über einem Jahr Verspätung aufgenommen werden konnte.

Die Pöstlingbergbahn verkehrt aktuell im 30-Minuten-Takt, an ausgewählten Feiertagen und an Sonntagen im Sommer verdichten die modernisierten Wagen das Fahrintervall sogar auf 15 Minuten.

Ein Tipp zum Schluss: Besuchen Sie den Pöstlingberg, aber versäumen Sie nicht den Besuch der sog. “Grottenbahn”. Obwohl eindeutig eine Attraktion für Kinder, strahlt das Fahrgeschäft einen ganz besonderen altmodischen Charme aus!

Carsten Kossow / Foto: Klemens Giersch