KW13/2024 – Wuppertal: Eine Sternschnuppe am Bierhimmel

Guido KorffBild der Woche

Dieses Bild der Woche beinhaltet einen „Wirtschaftskrimi“ – im wahrsten Sinn des Wortes! Doch zunächst einmal zum Hauptdarsteller des Fotos. Es ist der Achtachser 8011 der Wuppertaler Stadtwerke, der gerade die Endstelle am Barmer Bahnhof verlässt, um auf Linie 8 Richtung Dieselstraße zu fahren. Diese Verbindung stand zwischen dem 03. Juni 1973 und dem 28. September 1974 im Fahrplan. Davor und danach lag die westliche Endstation an anderen Stellen. Wagen 8011 war zunächst als vierachsiger Großraumwagen an die Wupper gekommen und wurde zusammen mit weiteren 15 Düwags im Zeitraum von 1958 bis 1963 zum Achtachser mit Pedalsteuerung und einem Fassungsvermögen von 252 Personen umgebaut.

In diesen Jahrzehnten finanzierte die Außenwerbung auch schon einen Teil des öffentlichen Personennahverkehrs. Heute unvorstellbar, wurde Alkoholisches in allen Formen gezeigt. Da gab es „Doornkaat – aus guter Kornsaat“, „Klarer mit Speck“ und natürlich auch schon den unvermeidlichen Kräuterlikör „Jägermeister“. Die örtlichen Wuppertaler Brauereien „Wicküler“ und „Bremme“ nutzten ebenfalls gerne Busse und Straßenbahnen der WSW, um auf den eigenen Gerstensaft hinzuweisen, der zu Hause, aber auch in den angeschlossenen Gaststätten konsumiert werden konnte. Eine davon wirbt links im Bild für den “Platzhirschen” mit den drei Musketieren, Küppers Kölsch gehörte ebenfalls zu diesem Sortiment.

Bei unserem Bild allerdings fällt eine auf den ersten Blick unerwartete Werbung ins Auge. „Stella Artois“ ist eine belgische Brauerei, deren Anfänge bis in das Jahr 1366 zurück reichen. Bereits 1537 ist die Braustätte der Familie Artois das größte Unternehmen in der Stadt Löwen/Leuven. Ein 1926 kreiertes “Weihnachtsbier” wurde nach dem Stern von Bethlehem mit dem Namenszusatz “Stella”, dem italienischen Wort für Stern, versehen. Daraus entstanden der heutige Firmenname und ein Element des Markenzeichens: ein roter Stern.

Später beschreibt man das Bier als „stilvolles, gepflegtes helles Pilsner Bier mit fünf Prozent Alkoholgehalt“. Stella Artois war in den 60er Jahren in Belgien auf der Überholspur und schaute sich nach neuen Absatzmärkten um. Da kamen der Geschäftsführung die durstigen bergischen Kehlen in den Sinn. Der Wirtschaftskrimi begann. Am Barmer Klingelholl befand sich seit 1861 die Tienes-Brauerei, ein kleines, feines Familienunternehmen, das wie die anderen Produzenten einen Großteil des Hopfengetränkes als Fassbier in eigenen Gaststätten ausschenkte. Um 1970 herum geriet Tienes dann in Insolvenz – und Stella Artois erwarb die Gaststätten. Es mögen vor Ort so um die 20 Lokale gewesen sein, wo auf einmal belgisches Bier aus dem Zapfhahn lief. Um im Stadtbild wirklich präsent zu sein, nutzte man zwei Achtachser (Tw 8004 und 8011) mit der im Bild zu sehenden Werbung.

Nun, kurz gesagt, Stella wuchs – und wächst – weiter, wurde aber 1988 von Interbrew geschluckt und ist heute Teil des größten Braukonzern der Welt Anheuser Busch InBev, dem auch die deutschen Brauereien Franziskaner, Löwenbräu, Diebels, Spaten, Hasseröder, Haake Beck und Gilde angehören. Bei dieser einheimischen Vielfalt ist Stella Artois in Deutschland aus dem Programm gefallen; online ist das Bier aber aus mehreren Nachbarländern beziehbar. An das belgische Abenteuer in Wuppertal erinnerte bis vor wenigen Jahren noch ein Grillimbiss Ecke Parlamentstraße/Alter Markt. Der Name: „Stella Stübchen“!

Text und Foto: Michael Malicke