Das Motiv dieser Woche zeigt eine weltweit einmalige Gleisanordnung: ein Dreischienengleis mit den Spurweiten 1.435 mm und 1.100 mm! Die seltene Spurweite von 1.100 mm gab es in Deutschland bei drei Straßenbahnbetrieben: Braunschweig, Kiel und Lübeck. Die beiden letztgenannten waren aber schon lange stillgelegt, bevor Gedanken an eine Umspurung aufkamen.
In Braunschweig ging der Anstoß dazu von dem Vorschlag aus, die Eisenbahnstrecke nach Gifhorn als Regional-Stadtbahn in das städtische Netz einzubinden. Da man zu der Zeit – Ende der 90er Jahre – auch große Pläne für den Ausbau der Straßenbahn hegte, lag es nahe, die einmalige Chance zu nutzen und das ganze Netz auf Normalspur umzustellen. Ein “geometrischer” Vorteil ließ den damit verbundenen mehrjährigen Mischbetrieb dabei durchaus erträglich erscheinen. Die zusätzliche Schiene sollte nämlich bei den Umbauten jeweils auf der Innenseite des Gleispaars verlegt werden. Dadurch hätten 2,65 m breite Normalspurfahrzeuge den gleichen Abstand zu einem seitlichen Bahnsteig gehabt wie die heute üblichen, 2,30 m breiten Wagen auf der Schmalspur. Größere Streckenabschnitte wurden bereits mit Landesförderung entsprechend ausgebaut. Nach politischen Veränderungen in Braunschweig erlosch nach der Jahrtausendwende aber das Interesse an dem Projekt.
Um auch in Braunschweig auf der Schiene ein Fahrerlebnis nach heutigem Standard anbieten zu können, sollten jetzt tatsächlich 2,65 m breite Fahrzeuge beschafft werden – allerdings auf 1.100 mm Spurweite! Dies hätte größere Anpassungen an der Infrastruktur auf der rechten Gleisseite erfordert. Dem verweigern sich jedoch die Fördermittelgeber mit der nachvollziehbaren Frage, warum man eigentlich vor zwanzig Jahren die Kosten für eine Umspurung bezuschusst habe. Als Steuerzahler kann man sich dem nur anschließen!
Denkt man als Wuppertaler Nahverkehrsfreund an eine Gemeinsamkeit der Bergischen Metropole mit Braunschweig fällt einem sofort der Name “Büssing” ein. Die Omnibusse mit dem Löwen-Emblem bestimmten viele Jahre lang das Straßenbild in Wuppertal. Aber auch andernorts wurden die Fahrzeuge wegen ihrer Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sehr geschätzt.
Und dann gab es noch eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Städte! In Wuppertal stand in den frühen fünfziger Jahren das Ronsdorfer Meterspurnetz zur “Modernisierung” an. Die Verantwortlichen planten, die Strecke vom Toelleturm über Lichtscheid und die Ronsdorfer Waldstrecke hinunter in den Ortskern auf Normalspur umzurüsten. Einzelne Weichen und ein kurzer Abschnitt Dreischienengleis lagen schon – doch auch hier schwenkte die Politik um und entschied sich für den Ausbau des Obus-Betriebs. In Braunschweig hat es ebenfalls an Mut gefehlt. Man fährt immer noch auf 1.100 mm Spurweite! Und 2,65 m breite Niederflurwagen auf 1.100 m gibt es ohnehin nicht zu kaufen; stattdessen hat man wieder 2,30 m breite Fahrzeuge bestellen müssen.
Allerdings steht Braunschweig mit der Fehlinvestition in die Umspurung nicht allein. Im Einzugsbereich der “Stadtbahn Ruhr” gab es zahlreiche meterspurige sog. “Vorlaufstrecken” mit Vorbereitung für eine spätere Umspurung, die entsprechend vorgebohrten Schwellen waren das sichtbare Indiz für diese Pläne. Wenn die Aufwertung zur Normalspur dann tatsächlich jemals erfolgte, hatten die Schwellen schon so lange gelegen, dass gleich neue eingebaut wurden.
Allerdings gibt es auch ein positives Beispiel: Die SSB in Stuttgart hat das innerstädtische Straßenbahnnetz nicht nur in weiten Teilen auf die breitere Spur umgerüstet, sondern baut sogar kontinuierlich neue Strecken. Die Meterspur steht in Stuttgart zwar nicht unter Denkmalschutz, wird aber umfangreich erhalten, um dem gepflegten Museumswagen-Bestand einen ordentlichen “Auslauf” zu ermöglichen. Die regelmäßige Sichtbarkeit der Oldtimer in zentralen Teilen des Netzes ist zugleich eine sehr erfolgreiche Werbemaßnahme für das großartige Straßenbahn-Museum!
Text: Michael Malicke / -gk- / Foto: Michael Malicke