KW12/2022 – Payerbach: Beauty and the Beast (?)

Guido KorffBild der Woche

Über Geschmack lässt sich streiten, aber das Design des schwarzbraunen Gefährts im Bild links dürfte unstrittig misslungen sein. Wir zeigen dieses Vehikel auch nur zum Vergleich mit unserer Hagener Lok (vgl. Bild der Woche für KW04/2022), die dagegen richtig elegant wirkt.

Schauplatz der Szene ist der Bahnhof Payerbach an der Semmeringbahn zwischen Wien und Graz. Von dort verkehrt(e) eine elektrische Lokalbahn nach Hirschwang und weiter zur Talstation der Raxseilbahn, von der wir hier rechts eine ehemalige Gondel sehen.

Die Raxseilbahn war bei ihrer Eröffnung die erste Seilschwebebahn Österreichs. Gebaut wurde sie von dem damals weltweiten Branchenführer Adolf Bleichert & Co. in Leipzig. Ihre beiden Gondeln überwinden 1.018 m Höhenunterschied. Ungewöhnlich war dabei eine “Sommergondel” mit einer Reling und einem Stoffdach statt festen Wänden. Die Seilbahn zur Raxalpe wurde schon bald von der Wiener Bevölkerung als beliebtes Ausflugsziel angenommen.

Die schmalspurige Lokalbahn mit der “bosnischen Spurweite” von 760 mm ist nur wenige Jahre älter. Sie diente ab 1918 als Materialbahn für eine Papierfabrik in Hirschwang, das etwa 5 Km von der Semmeringbahn entfernt liegt. Mit dem aufkommenden Bergtourismus wurde sie in den folgenden Jahren für den Personenverkehr ausgebaut und 1927 um einen Kilometer zur Raxseilbahn verlängert. Hier beginnt auch das landschaftlich reizvolle “Höllental”, nach dem die Lokalbahn benannt wurde.

Von den als “fahrbare Gartenhäuser” bespöttelten E-Loks gab es bei der Eröffnung drei Stück (E1 – E3), die gebraucht (Baujahr 1903) von der Baustelle des Karawankentunnels erworben wurden. Das seltsame Dach hat man ihnen allerdings erst in Hirschwang verpasst. Eine Schwestermaschine (E1) des hier abgebildeten Museumstücks verkehrt noch heute regelmäßig auf der jetzigen Museumsbahn und soll damit die älteste betriebsfähige schmalspurige E-Lok Europas sein!

Schon 1963 wurde die Lokalbahn als nicht mehr betriebssicher für den Personenverkehr erklärt und in der Folge die Beförderung von Fahrgästen eingestellt. Der Güterverkehr hielt sich noch bis 1982, zuletzt aber nur noch mit Dieselloks betrieben.

Glücklicherweise gründete sich 1977 ein Verein von Eisenbahnfreunden, der die Strecke erhalten wollte und anfangs mit einer bunten Mischung von Schmalspurfahrzeugen befuhr. Im Laufe der Jahre gelang es dann, die seinerzeit an die Zillertalbahn veräußerten Beiwagen zurückzukaufen und aus einem davon bis 2005 einen Triebwagen zu rekonstruieren. Einige Originalteile – u. a. die Drehgestelle – konnten ebenfalls in den Triebwagen integriert werden. Besonderes Detail: Die Fußbodenhöhe des Triebwagens liegt bei beachtlichen 1.040 mm! Dies ist dem geringen Raum für die Antriebsanlage in den schmalen Drehgestellen geschuldet.

Heute teilen sich der wunderschöne Triebwagen und die E1 den Personenverkehr mit einer Heeresfeldbahn-Diesellok. Über den Triebwagen werden wir sicher bei anderer Gelegenheit Weiteres berichten.

PS: Wer aus der Farbkombination der Seilbahn bestimmte Schlüsse zieht, muss in diesen Tagen nicht falsch liegen, aber der Fotograf hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme – 2013 – keine entsprechenden Absichten!

-gk- / Foto: -gk-