Arm dran oder clever? Es gibt diese Verkehrsbetriebe in den (ehemals “neuen”) östlichen Bundesländern, die sich teils schon seit Jahrzehnten mit gebrauchten Straßenbahnen behelfen. Die Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn oder der Betrieb in Woltersdorf zählen dazu – und eben auch die Thüringer Waldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH. Lange Jahre saß die Stadt sozusagen “an der Quelle” und bis zum Produktionsende der örtlichen Waggonfabrik wurde der Betrieb regelmäßig mit neuen Fahrzeugen bedacht, zuletzt 1965-67 mit Gelenkwagen des Typs G4. Danach kam aber nur noch eine Handvoll Nachbauten der Zweiachser vom Typ “Gotha” von CKD aus der Tschechoslowakei sowie 1981/2 ein halbes Dutzend Tatra KT4D – und das war’s dann für die nächsten vier Jahrzehnte!
Nach der “Wende” konnte der Wagenpark etwas aufgefrischt werden, wenngleich die Düwag-Wagen aus Mannheim und Bochum durchweg sogar älter waren als ihre Vorgänger. Erst jetzt, nachdem andere Betriebe der gleichen Region bald schon ihre erste Generation von Niederflurwagen verschlissen haben, geht Gotha den Schritt zur Beschaffung von Neuwagen. Die Gründe liegen auf der Hand: Die “unkaputtbaren” Düwag-Wagen aus der alten Bundesrepublik haben durchweg ihre neuen Liebhaber gefunden. Gotha bediente sich deshalb zuletzt in der Schweiz, wo auch robuste und gut gepflegte Straßenbahnen unterwegs waren bzw. sind. Die von der Baselland Transport AG übernommenen Wagen sind aber auch schon zwei Jahre älter als die originalen KT4D. Die große Herausforderung bestand allerdings darin, die technische Zulassung für einen ausländischen Fahrzeugtyp zu erhalten.
Ähnlich wie die Mannheimer Düwags wurden die Schindler-Wagen, schon vor zwanzig Jahren mit einem Niederflur-Mittelteil ausgerüstet. Für die längst gesetzlich geforderte “Barriere-Freiheit” dürfte dieses beschränkte Angebot auf Dauer aber nicht ausreichen. Der Kauf fabrikneuer Niederflurwagen ist deshalb der logische nächste Schritt, denn die ab den neunziger Jahren produzierten Niederflurwagen sind für eine definierte Lebensdauer konzipiert, die kein langes “zweites Leben” erwarten lässt (mal sehen, wie lange z. B. die MGT6D in Łódź und Posen durchhalten). Im August 2024 sagte die Thüringische Landesregierung die Förderung von vier neuen Triebwagen zu, im Januar zog der Landkreis nach. Neben vier Festbestellungen soll es sechs Optionen geben. Der Preis pro Wagen dürfte zwischen 6 und 7 Mio. Euro liegen.
Die neuen Triebwagen sollen die letzten Tatras ablösen. Unser Bild zeigt KT4D 307, der nach nur zehn Jahren in Erfurt 2001 nach Gotha kam. Für Erfurt wohl zu klein, passte der Wagen sicher besser auf die Nachfrage in Gotha. Wir sehen ihn hier am 01. April 2016 (kein Scherz!) in Waltershausen-Wahlwinkel, wo ein kurzes, lokal begrenztes Abschiedsgastspiel des Winters die Landschaft weiß gefärbt hatte, was mit den Erfurter Faben des Triebwagens bestens harmoniert. Tw 307 wird die Ankunft der “Neuen” jedoch nicht mehr erleben, denn er wurde 2024 verschrottet.
Text und Foto: -gk-