KW11/2022 – Wuppertal: Die “virtuelle” Gleisverschlingung

Guido KorffBild der Woche

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Straßenbahn-Wagen, der einen Linien-Endpunkt ansteuert, von dort auch wieder zurückkehren muss. Früher oder später wird ihm aber ein Wagen entgegenkommen, der die gleiche Endstelle zum Ziel hat. In dem Moment müssen die beiden Fahrzeuge irgendwie aneinander vorbeikommen.

Die einfachste Lösung dieser Aufgabenstellung ist die Verlegung von zwei Gleisen – für jede Fahrtrichtung ein eigenes. In der Anfangszeit der Straßenbahn war man allerdings sparsam und verzichtete weitgehend auf das zweite Gleis, denn bei einem festen Fahrplan reichten in bestimmten Abständen angelegte Ausweichen völlig aus.

Mit zunehmendem Autoverkehr wurde die Einhaltung der vorgegebenen Fahrzeiten allerdings immer schwieriger, so dass jetzt doch oft in das zweite Gleis investiert wurde. Wenn der Platz nicht auf ganzer Länge zur Verfügung stand, wurden die beiden Richtungsgleise auch schon mal in zwei getrennten Straßenzügen angelegt.

Aber auch auf durchweg zweigleisigen Strecken blieben manchmal kürzere eingleisige Abschnitte übrig (so z. B. bei der Durchfahrt durch das Nauener Tor in Potsdam). Wenn man sich an solchen Stellen die Kosten für Einbau und Unterhalt von zwei Weichen sparen möchte, wählt man eine “Gleisverschlingung”. Dabei wird so getan “als ob” und mindestens eine Schiene liegt jeweils zwischen den Schienen der Gegenrichtung.

Charakteristikum einer Gleisverschlingung ist demnach, dass zwei Straßenbahnen an genau dieser Stelle einander nicht passieren können. Dazu bedarf es aber noch nicht einmal einer technischen Überlagerung der Gleise, die Überlappung der Lichtraumprofile reicht dafür schon aus.

Ein Beispiel hierfür sehen wir auf unserem “Bild der Woche” in der Elberfelder Südstadt, angelegt im Zuge der Linie 23. Der Straßenbahnzug kommt aus Ronsdorf und biegt gerade aus der Straße “Haubahn” in die Dessauer Straße ab. Das Gleis in Gegenrichtung schwenkt leicht rechts in die Vereinsstraße, um sich am südlichen Ende der Distelbeck in der Ronsdorfer Straße gemeinsam mit dem anderen Gleis als zweigleisige Strecke Richtung Lichtscheid und Ronsdorf fortzusetzen. Im Rücken des Fotografen wird der Zug nach etwa 300 m den Elberfelder Bahnhof erreichen, allerdings mit einem kurzen zwischengeschalteten eingleisigen Abschnitt bis hinter die Brücke über die Staatsbahnstrecke. Wir finden also auf kleinem Raum gleich mehrere der zuvor genannten Gleiskonfigurationen vor.

Das Foto entstand am 24. April 1954; die Kriegsschäden sind noch unübersehbar. Die Linie 23 verkehrte auf diesem Abschnitt noch bis zum 01. Juni 1954 und zählt damit zu den ersten stillgelegten Linien/Strecken des Wuppertaler Meterspurnetzes.

-gk- / Foto: Ernst-Julius Wolff (Sammlung –gk-)