Es gibt immer wieder Leute, die glauben, das Bergische Land habe seinen Namen von den zahlreichen Anhöhen – Berge mag man sie ja eigentlich nicht nennen – und Tälern. Das stimmt zwar nicht, aber manche Einschnitte sind schon recht tief, arg steil und nur mit vielen engen Kurven zu befahren. Das Gleiche gilt für die norwegische Hafenstadt Bergen, bei der der Name auch die örtliche Topographie zu beschreiben scheint. Meeresfjorde sind ebenfalls eine tiefe und enge Angelegenheit und Bergen liegt am Ende eines solchen Fjords. Zwei natürliche Hafenbecken sind durch einen hohen Landrücken getrennt, der auch dem Verkehr zwischen den Stadtteilen im Wege steht.
Wenn die Häuser nicht so bunt angestrichen wären, könnte man meinen, die auf unserem Bild sichtbare Tram sei irgendwo in der Elberfelder Nordstadt unterwegs. Die Rundbahn zum Bahnhof Mirke gibt es aber schon lange nicht mehr und ihre Gleise haben so (gemäßigt) moderne Straßenbahnwagen nie gesehen. Die Lackierung der Tram ist die authentische Farbgebung der Bergener Straßenbahn in ihrem ersten Leben, das schon 1965 endete. Die Neuauflage startete 2010 auf einer der beiden früheren langen Hauptlinien entlang des Talverlaufs, die andere Hauptlinie hat sich immerhin bis heute als letzte Obus-Linie Norwegens behauptet.
Nachdem die Linie 4 schon früh stillgelegt worden war, gab es als dritte Linie noch die “3” als “lokales” Verkehrsangebot. Sie überquerte auf einer relativ kurzen Strecke den erwähnten Höhenrücken zwischen den beiden Hafenbereichen “obendrüber”. Die Obusse fahren dagegen heute in einem langen Straßentunnel “untendurch” und auch für die neue Stadtbahn-Linie 2 wurde exklusiv ein 3 km langer Tunnel gebohrt, der auch von Radfahrern und Fußgängern benutzt werden darf. Die Autofahrer aus dem mit Linie 2 erschlossenen Neubau-Stadtteil müssen auf diese komfortable Verbindung jedoch verzichten und sich zum Stadtzentrum weiterhin “obendrüber” quälen. Das macht die Stadtbahn natürlich umso attraktiver!
Man mag sich fragen, warum die alte Linie 3 ausgerechnet am äußeren Ende dieser Berg- und Talbahn 1913 einen Betriebshof erhielt aber aus heutiger Sicht hat diese Entscheidung ihr Gutes: Das kleine Depot Møhlenpris blieb nach der Stilllegung erhalten und dient heute als Technisches Museum sowie als Ausgangspunkt einer 1,5 km langen Straßenbahnstrecke, womit über eine Zeit von 20 Jahren die historische Linie 3 wieder aufgebaut wurde. 2025 erreichte sie ihren vorläufigen Endpunkt vor dem Opernhaus.
Neben dem vor einigen Wochen bereits gezeigten originalen Bergener Triebwagen 10 zählen drei Reko-Triebwagen (ex Berlin 3001, 3003 und 3004) sowie ein passender Beiwagen zum Bestand, allerdings gibt es für letzteren an der Oper keine Umfahrungsmöglichkeit. Die Triebwagen tragen die Nummer 61-63 und schließen damit an die höchste Wagennummer des alten Betriebs an. Außerdem verkehrt Tw 74 aus Oslo mit dem Baujahr 1913, der als Bergen 47 hergerichtet wurde.
Die moderne Stadtbahn endet östlich der querenden Fußgängerzone, soll aber nach Nordwesten erweitert werden. Wenn diese Pläne realisiert werden, trennen nur noch zwei Häuserblocks die historische und die moderne Bahn voneinander. Da sie beide auf Normalspur rollen, wäre eine Gleisverbindung nicht ausgeschlossen. Definitiv unvorstellbar ist jedoch, dass sich die langen Niederflurzüge auf Linie 3 durch die sehenswerte Altstadt schlängeln.
-gk- / Foto: -gk-