KW09/2025 – Tateyama: Eine Standseilbahn mit Steuerwagen

Guido KorffBild der Woche

Standseilbahnen, wie wir sie von unseren Mittelgebirgen kennen, dienen zumeist dem Ausflugsverkehr zu einem Berg mit schöner Aussicht. Der Transport von Lasten spielt dabei in der Regel keine Rolle, bestenfalls wird eine Berggaststätte versorgt. Schon in den Schweizer Alpen ist das teilweise anders, so bei der ehemaligen Standseilbahn, die Lauterbrunnen im Berner Oberland mit der Bahnstrecke nach Mürren verband (heute durch eine Luftseilbahn ersetzt). Hier wurden Gepäck und Lebensmittel für einen ganzen Kurort befördert. Als Vehikel diente dafür ein kleiner Vorstellwagen auf der Bergseite.

In Japan gibt es ein Gebirge, dass auch dort “Alpen” genannt wird. In seinem nördlichen Teil liegt einer der drei heiligen Berge Japans, der “Tateyama”, der immerhin unsere Zugspitze an Höhe übertrifft. Er ist 3.015 m hoch. In eine langgezogene Schlucht zwischen zwei benachbarten Höhenzügen wurde von 1956 bis 1963 eine Talsperre mit knapp 200 Mill. Litern Fassungsvermögen gebaut, das sind 20 % mehr als bei der Bigge-Talsperre. Der Staudamm in der engen Schlucht wurde allerdings mit 492 m Länge und 186 m Höhe zu einer großen Attraktion, die seit seiner Fertigstellung durch eine spannende Rundreise erschlossen wird.

Die “Tateyama Alpine Route” lockt aber nicht nur durch die architektonischen  landschaftlichen Reize, sondern auch mit einer Kette verschiedener Verkehrsmittel, bei der nur der Staudamm selbst zu Fuß überschritten werden muss.  Wer mit der Eisenbahn von Toyama ankommt, benutzt als erstes die Standseilbahn, die unser “Bild der Woche” zeigt. Auf der Höhe geht es mit Omnibussen weiter, es folgen eine weitere Standselbahn, eine Luftseilbahn und zwei unterirdische Bus-Strecken. Einer dieser Bus-Tunnel war gebohrt worden, um die Staudamm-Baustelle mit Material zu versorgen. Für die Touristen wurde dann eine Obus-Strecke eingerichtet, die ca. 6 km unterirdisch verlief; eingleisig mit einer Ausweiche in der Mitte. Die Obusse verkehrten im Konvoi von bis zu sieben Wagen. Der zweite Obus-Betrieb im Tunnel war zwar nur 3,7 km lang, unterquerte aber den Berg Tateyama auf immerhin 2.300 m über Meereshöhe! Beide Obus-Betriebe sind 2018 bzw. 2024 ein- und auf Elektrobusse umgestellt worden. Sie waren die letzten ihrer Art in Japan.

Zurück zur Standseilbahn: Sie entstand zwischen 1952 und 1954 als erstes Glied in der geschilderten Reisekette. Auf 1.3 km Strecke überwindet sie 502 Höhenmeter. Die besondere technische Herausforderung bestand damals in der Anlage einer weiten Linkskurve. Von Anfang an gab es einen Güterwagen, der auf der Talseite angekuppelt werden konnte, da die Hochfläche am oberen Ende der Bahn noch nicht per Straße erreicht werden konnte. Deshalb wurden sogar die ersten Autobusse per Standseilbahn in die Höhe geschafft. Erst ab 1964 konnten neuere Busse über eine Straße in die Höhe gelangen (In Lauterbrunnen hat man sogar die drei Eisenbahn-Triebwagen auf der Standseilbahn angeliefert, allerdings geschleppt, auf eigenen Rädern!). Den beiden aktuellen Standseilbahnwagen ist ein fester Güterträger angehängt, der lt. Anschrift 6 t befördern darf. Die kleine waagerechte Plattform am oberen Ende dient zur Abstellung größerer Rucksäcke und Gepäckstücke, damit mehr Personen in die Wagen passen. Um den doch recht langen “Zug” besser übersehen zu können, sitzt bzw. steht der Fahrer bei der Talfahrt in der kleinen Kabine. Lt. Fahrplan wird alle 20 Minuten gefahren, die Fahrt selbst dauert 7 Minuten – übrigens bergauf und bergab gleich lange 😀.

Noch ein Tipp zum Schluss: Japaner sammeln gern Stempel. Auch von der “Tateyama Alpine Route” gibt es ein entsprechendes Faltblatt. Wer rechtzeitig mit dem Stempeln anfängt, kann auf seiner Tour sieben Motive von den benutzten Verkehrsmitteln einsammeln!

-gk- / Foto: -gk-