KW09/2023 – Dresden: Hausmannskost auf Rädern

Guido KorffBild der Woche

Wer im – sehr sehenswerten – Dresdner Straßenbahnmuseum Trachenberge auch die Räume abseits der Fahrzeugausstellung besucht, wird auf diese Küche stoßen. Sie stammt aus einer Zeit, als es noch keine Schnellimbisse an jeder Ecke und keinen “Coffee-to-go” gab. Um die lange Schicht als Fahrer oder Schaffner zu überstehen, waren mitgebrachte Butterbrote auch nicht immer die beste Lösung. Eine warme Mahlzeit sorgte – besonders in der kalten Jahreszeit – für die Aufrechterhaltung der Arbeitskraft in einem Beruf, der damals um vieles anstrengender war als heutzutage.

Die Behälter im Vordergrund dienten einem doppelten Zweck: Sie wurden befüllt und zu Endstellen befördert, wo sich das Personal in Dienstpausen verpflegen konnte. Die dienten aber auch als Wärmespeicher für vorgekochte Speisen, wenn die Personale zu eher ungewöhnlichen Zeiten im Betriebshof selbst pausierten oder Schichtwechsel hatten. Die Form deutet es aber schon an: Um Gourmet-Küche kann es sich nicht gehandelt haben, eher um Eintöpfe und Suppen.

Wer das alles zubereitet hat, ist auf dem Foto auch nicht zu übersehen. Die blau-geblümte Kittelschürze hinten rechts verweist auf die “Küchenfee”, wobei in größeren Küchen auch kräftige Männer mit anpacken mussten, um die schieren Mengen zu bewegen, die da verarbeitet wurden. Wer das Foto jetzt mit “ostalgischen” Gefühlen betrachtet, dem sei allerdings gesagt, dass es in Westdeutschland zu der Zeit auch nicht anders zuging.

Damit leiten wir über zu Essgewohnheiten der Fahrgäste, die das “Geschäft” der Verkehrsbetriebe über die Jahre massiv beeinflusst haben. Wer als Industriearbeiter in den 50er Jahren keine “Stullen” in seiner blechernen Brotdose, die meist wie eine kleine “Geldbombe” aussah, mit zur Arbeit nahm, konnte oft auf den sog. “Henkelmann” zurückgreifen. Manche Hausfrau vertraute den Behälter einem Straßenbahnschaffner an, der dann an der Zielhaltestelle dem hungrigen Ehemann sein Mittagessen aushändigte. Bei einigen Verkehrsbetrieben gehörte dieser Transport zum regulären Service.

Das war jetzt noch keine große Sache. Aber wer sorgte für die berufstätigen Frauen? Auch wenn in Rückblicken auf die Nachkriegszeit die “Hausfrau” dominiert, gab es damals gleichzeitig Heerscharen von Verkäuferinnen in den Geschäften und Sekretärinnen in den Büros, die auch versorgt sein wollten.  Wer erinnert sich noch daran, dass westdeutsche Geschäfte früher zumeist in der Mittagszeit von 13:00 bis 15:00 Uhr geschlossen waren? Dann hieß es für das Personal: mit der Tram nach Hause, ein Mittagessen kochen und verzehren und anschließend mit der Tram zurück in Laden oder Büro.

Schnellrestaurants und Bäckerei-Cafés haben diese Selbstversorgung heute abgelöst und die mittägliche “Stoßzeit”  der Verkehrsbetriebe ist folglich verschwunden, zumal auch die Schulen auf Ganztagsbetrieb umgestellt haben. Damit gingen zwar viele Fahrgäste verloren, anderseits wurden die extremen Nachfragespitzen gekappt und Fahrzeuge wie Personal können heute gleichmäßiger, und damit kostengünstiger, eingesetzt werden.

PS: Auch im Straßenbahnmuseum Wuppertal-Kohlfurth wurde früher für die Aktiven gekocht. Aber auch hier hat die Tradition die Zeiten nicht überlebt – schade!

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