Was die Barmer schon seit über 60 Jahren schmerzlich vermissen – Genua hat sie noch: Die alte Zahnradbahn! Immerhin seit 120 Jahren (eröffnet im April 1901) verkehrt sie vom Genueser Hauptbahnhof „Principe“ zum Bergdorf Granarolo.
Auf 1.130 Metern Strecke überwindet sie 194 Meter Höhenunterschied. Genua zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass sich die Stadt ähnlich wie Wuppertal steil an Berghängen hinaufzieht, nur mit dem Unterschied, dass es nur eine Hangseite gibt, denn sozusagen „gegenüber“ liegt das Meer! Dafür ist Genua aber auch sonst mit „Steighilfen“ üppig gesegnet; zwei Standseilbahnen und mehrere öffentliche Aufzüge ersparen den Bürgern übergroße Atemnot. Das mit der Atemnot ist übrigens durchaus ernst zu nehmen: Die meisten Stationen der Zahnradbahn sind nur zu Fuß über steile Treppen zu erreichen („barrierefrei“ geht anders)!
Technisch betrachtet ist die Bahn gleichsam eine Standseilbahn ohne Seil, denn mit den beiden anderen Bahnen teilt sie nicht nur die Spurweite von 1.200 mm, sondern auch die eingleisige Strecke mit mittlerer Ausweiche und die Ausrüstung mit spurkranzlosen Rädern auf einer Seite, um Weichen zu vermeiden. Letztere gibt es tatsächlich nicht, denn in der überdachten Bergstation werden die beiden Wagen hintereinander abgestellt. Der obere Stellplatz verfügt über ein separates Tor und dient bei Bedarf als Werkstatt.
Im Laufe der Jahre wurden die winzigen, straßenbahnähnlichen Wagen mehrfach umgebaut und auch mit verbesserten Bremssystemen nachgerüstet. Trotzdem kam die Bahn „in die Jahre“ und in den 1990ern sah es so aus, als ob das Ende nicht mehr weit entfernt wäre. Nur noch ein Wagen war in Betrieb, der andere dauerhaft abgestellt.
Bei dem einzelnen Wagen ist es bis heute geblieben. Offensichtlich hat es sich der Verkehrsbetrieb AMT (Azienda Mobilità e Trasporti S.p.A.) aber noch einmal überlegt und über die letzten Jahre hinweg in seine Zahnradbahn investiert. Der Wagen wurde behutsam modernisiert und für Einmannbetrieb hergerichtet, die Türen schließen jetzt sogar per Motorkraft.
Es passt zu ihrer Entstehungszeit, dass die Bahn ursprünglich auf einer Riggenbach’schen Leiterzahnstange verkehrte. Auch diese Gleisanlage wurde Schritt für Schritt erneuert, wobei man damit wohl noch nicht fertig ist. Immerhin wurde aber die Riggenbach’sche Leiterzahnstange schon durch eine neue Zahnstange des „Systems Von Roll“ ersetzt.
Dabei handelt es sich im Grunde um eine vereinfachte Version der Zahnstange „System Strub“. Beiden jüngeren Systemen fehlen die seitlichen Wangen, in die Riggenbach seine „Leitersprossen“ eingehängt hat. Das “System Strub” basiert auf einer Art Vignolschiene, in die quer zur Fahrrichtung die Vertiefungen eingefräst werden, in die die Zahnräder eingreifen. Der Vorteil des breiten Schienenfußes war die einfache Art der Montage auf den Schwellen analog zu den Fahrschienen. Der innovative Ansatz der Fa. Von Roll bestand viele Jahre später in der Vereinfachung des Querschnitts zu einem Rechteck, so dass man sich das aufwändigere Walzen des Vignolprofils sparen konnte. Alle drei Systeme können gemischt zum Einsatz kommen, wenn man die Geometrie der Verzahnung einheitlich auslegt.
Ein Nachteil der Zahnstange des Systems „Von Roll“ ist allerdings, das sie nicht von Kraftfahrzeugen überquert werden kann. Treppen hin oder her – auch in Genua gibt es knapp unterhalb der Bergstation genau einen Bahnübergang, für den eine Lösung gefunden werden musste.
In Genueser wussten sich zu helfen: Im Bahnübergang selbst wurde ein kurzes Stück der alten Rigggenbach’schen Zahnstange beibehalten und im Übergang zur „offenen“ Strecke liegt das schmale moderne Profil “Von Roll” (oben im Bild) eingebettet in die alten Riggenbach’schen Wangen.
-gk- / Foto: -gk-