KW06/2025 – Bergen: Tramfans als Hausbesetzer

Guido KorffBild der Woche

Bergen verfügt seit 2010 über ein Straßenbahn-System, das den elektrischen Schienenverkehr erfolgreich auf die Straßen der Stadt zurückgebracht hat. Mit knapp 300.000 Einwohnern ist Bergen die zweitgrößte Stadt Norwegens und benötigte dringend eine Lösung für den stetig wachsenden innerstädtischen Verkehr. Die Häuser der deutschen Hanse-Kaufleute am Hafen (“Bryggen”) zählen zum Weltkulturerbe und verweisen auf die lange Geschichte der Ansiedlung am inneren Byfjord. Kreuzfahrtschiffe und die Hurtigruten schwemmen deshalb heute Massen von Touristen in das historische Zentrum.

Schon vor der aktuellen “Bybane” (Stadtbahn) verkehrte die “Trikken”, wie die Norweger ihre Trams nennen, von 1897 bis 1965 auf vier Linien. Für die zuletzt beschafften, relativ modernen zehn Vierachser -Triebwagen fanden sich nach der Stilllegung keine Interessenten mehr und so wurden sie im Byfjord versenkt. Übrig blieben nur die sechsgleisige Wagenhalle Møhlenpris von 1897 und der historische Triebwagen 10 aus der Erstausstattung.

Da sich mit einem einzelnen Straßenbahnwagen kein Museum betreiben lässt, schlossen sich 1974 mehrere Vereine zusammen, die gemeinsam das “Technische Museum Bergen” einrichten wollten. Allein – es fehlte an einer geeigneten “Location”. Da traf es sich gut, dass die städtische Bauabteilung 1990 den alten Betriebshof räumte. Eigentlich zum Abriss vorgesehen, brachten die Vereine kurzerhand ihre Exponate in die Halle und nötigten die Stadtverwaltung, über eine Erhaltung der Halle als Museum nachzudenken. Ein Jahr später gab es dann einen Mietvertrag.

Noch heute wirkt das Museum wie eine etwas “anarchische Wohngemeinschaft”, denn neben den Straßenbahnen und einem Obus finden sich eine Diesellok, zwei Standseilbahnwagen, Fluggeräte, amerikanische Straßenkreuzer, historische Lkw und viele Motorräder mitsamt einer konservierten Originalwerkstatt bunt gemischt in dem Gemäuer wieder. Außerdem gehören zwei Gruppen dazu, die Modellautos bzw. Plastikbausätze sammeln und in Vitrinen ausstellen. Schließlich ist in einem hinteren Anbau eine komplette historische Druckerei untergekommen. Das hat immerhin den Vorteil, dass die Museumsleute ihre Handzettel selber drucken können. Aber auch wenn Dach und Fenster mittlerweile dicht sind, bleibt an der Halle noch eine Menge zu tun. Da hat der Wiederaufbau der ehemaligen Linie 3 ins Stadtzentrum sicher Vorrang gehabt. Denn da hat man viel erreicht: Aus einem “besetzten” Depot ist eine ausgewachsene Museumsbahn auf öffentlichen Straßen geworden! Der letzte kurze Abschnitt zum Theater wurde 2024 fertiggestellt.

Den Fahrbetrieb bestreiten drei Motorwagen und ein Beiwagen vom Reko-Typ, die man für den “symbolischen” Euro in Berlin erwerben konnte. Das alte “Schätzchen” Nr. 10 kann deshalb geschont werden. Da es damals in Schweden, zu dem Norwegen seinerzeit noch gehörte, keine leistungsfähige Waggon-Industrie gab, wurde die Baureihe 1 – 16 von der Waggonfabrik Falkenried in Hamburg bezogen. Triebwagen 10, den wir hier vor der Museumshalle sehen, ist nur 6,40 m lang, 2,00 m breit und darf 28 Fahrgäste mitnehmen. Seine modernen Nachfolger sind dagegen fünfmal so lang (32,18 m), 2,65 m breit und bieten 212 Passagieren Platz (siebeneinhalb mal so viele!). Daran erkennt man überdeutlich, wie sich die Mobilität in den letzten hundert Jahren entwickelt hat.

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