KW 42/2018 – Pirmasens: Kürzer als die BMB!

Guido KorffBild der Woche

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte das deutsche Kaiserreich drei wirtschaftlich durchaus erfolgreiche Jahrzehnte hinter sich. Davon profitierten auch die Steuereinnahmen der Städte und zahlreiche öffentliche Bau- sowie Infrastrukturprojekte wurden auf den Weg gebracht. Mit dem Kraftwerk zur Erzeugung von Elektrizität kam dann oft auch eine Straßenbahn als erster größerer Stromkunde in die Stadt.

Obwohl Pirmasens damals nur ca. 30 Tsd. Einwohner zählte, hatte die Stadt als das Zentrum der deutschen Schuh- und Stiefelherstellung einen deutlichen Aufschwung erlebt und war wohl auch recht wohlhabend. Also musste als „Prestige-Objekt“ eine Straßenbahn her, die den Stadtkern mit dem Bahnhof verbinden sollte. Um überhaupt eine nennenswerte Länge zu erreichen, wurde die Stadt sogar komplett durchquert und die Linie bis zum Krankenhaus fortgeführt. Trotzdem kamen nur 2,525 km zusammen. Fünf Triebwagen bedienten die Strecke ab dem 8. Juni 1905 im 7,5-Minuten-Takt. Ein Jahr später folgten noch zwei weitere Triebwagen und zwei Sommer-Beiwagen.

Schon im Ersten Weltkrieg zeigte sich, wie begrenzt der Verkehrswert der Tram war. Als das Fahrpersonal zum Militärdienst eingezogen wurde, stellte die Bahn kurzerhand ihren Betrieb für die gesamte Kriegszeit ein.

Inspiriert von den erfolgreichen Versuchen mit der Trolleybus-Strecke in Idar-Oberstein (in Betrieb ab 1932) sollte in den 1930er Jahren der Ausbau des Verkehrssystems als Obus-Netz erfolgen. Folglich eröffnete 1941 die erste Strecke, die auch bereits den Streckenabschnitt der Tram vom Exerzierplatz zum Krankenhaus ablöste. Zwei Jahre später wurde dann die verbliebene kurze Strecke zum Bahnhof von Schienenbetrieb auf Obus umgestellt. Wahrscheinlich hatte man damals größere Pläne mit dem elektrischen Nachfolger der Tram, aber über 6,7 km Strecke ist er bis zu seinem Ende im Jahre 1967 nicht hinausgekommen.

Unsere Ansichtskarte zeigt Triebwagen 9 von hinten auf dem Weg zum Krankenhaus. Er biegt halbrechts in die Hauptstraße ein, die mit ordentlichem Gefälle (max. 70 o/oo) zum Schlossplatz hinunterführt. Heute lädt die Hauptstraße als Einkaufs- und Fußgängerzone zum Bummeln ein. Historische Gebäude gibt es in der Innenstadt nicht mehr; dafür kommen die Freunde von Industriearchitektur bei den zahlreichen Schuhfabriken an der Peripherie auf ihre Kosten, wobei die meisten davon heute verwaist sind. An der Stelle des schönen Gebäudes in der Bildmitte steht mittlerweile ein kleines Hochhaus mit sechs Geschossen.

Die vielen Kinder beobachten die Arbeit des Fotografen mit großen Interesse. Offensichtlich gibt es auch etwas zu feiern in der Stadt, wenn man nach den Flaggen urteilt.

Fragen wirft allerdings die klar erkennbare Wagennummer „9“ auf. Lt. Kochems / Höltge hatte die Straßenbahn Pirmasens während ihrer ganzen Betriebszeit nur neun Fahrzeuge und die höchste Nummer „9“ trug einer der Sommer-Beiwagen. Bedarf für eine spätere Umzeichnung gab es da ja wohl kaum…

-gk- / Foto: Sammlung -gk-

Quellen:
• Wikipedia
• Kochems, Michael / Höltge, Dieter; Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland, Band 12: Rheinland- Pfalz/Saarland; Freiburg 2011