KW 40/2018 – Frankfurt: Hoch auf dem gelben Wagen

Guido KorffBild der Woche

Hoch auf dem gelben Wagen…sitzt in Frankfurt kein hornschmetternder Postillion, sondern nur noch ein Lyrabügel. Immerhin hat die Elektrizität am Anfang des 20. Jahrhunderts die Pferdekraft schon vielerorts abgelöst.

In einigen größeren deutschen Städten verkehrten damals spezielle Poststraßenbahnen zwischen den größeren Postämtern, in der Regel vom Bahnhofspostamt zum Hauptpostamt im Stadtzentrum und zu den wichtigsten Verteilstellen in den Stadtbezirken. In München rollte die Post zwischen 1910 und 1988 sogar mit ihrer eigenen U-Bahn zum Bahnhof – zu ihrer Zeit eine weltweite Pioniertat. Auch der heute viel gefeierte „StreetScooter“ hatte seinerzeit schon einen Vorgänger in den Elektro-Lastwagen der Berliner Firma Bergmann – insgesamt eine moderne und saubere Angelegenheit, die man nach 100 Jahren mit viel Tamtam wiederentdeckt!

In Frankfurt verkehrten die gelben Wagen genau 50 Jahre – von 1901 bis 1951. Zuvor hatte es schon ab 1872 Postbeförderung auf dem Nahverkehrsnetz gegeben, damals noch mit Pferde- und Dampfbahn. Um den Ansprüchen der wachsenden Stadt zu genügen, bestellte die Deutsche Reichspost 1901 sieben eigene Schienenfahrzeuge, die auf dem Typ „A“ der städtischen Straßenbahn basierten. In späteren Jahren wuchs der Bestand auf insgesamt zwölf Triebwagen. Bedient wurde die Verbindung zwischen Hauptbahnhof und dem Hauptpostamt (ca. 2 km) auf der Einkaufsmeile „Zeil“. Geplante Verlängerungen vereitelte der beginnende Erste Weltkrieg.

Erst im Laufe des Zweiten Weltkriegs verlängerte sich der Betrieb bis zum Postamt 9 am Ostbahnhof, da LKW und Kraftstoff knapp wurden. Obwohl beide Dienststellen auf der gleichen Mainseite liegen, quert die Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Bahnhöfen via Frankfurt-Süd zweimal den Fluss. Nach der Zerstörung der Mainbrücken war deshalb die Post-Tram für einige Jahre als Bindeglied unentbehrlich.

Als nach der Währungsreform LKW wieder verfügbar wurden, kam rasch das Ende: Am 31. Dezember 1951 fuhr der letzte planmäßige Kurs.

Der gelbe Posttriebwagen auf unserem Bild steuert gerade die Frankfurter Hauptpost von 1891 auf der Zeil an. Wir sehen den monumentalen Kuppelbau auf der linken Straßenseite auf Höhe des cremefarbenen Straßenbahnwagens. Durch eine Tordurchfahrt wird die Post-Tram gleich den Innenhof erreichen, in dem nicht nur eine Wendeschleife, sondern auch eine Wagenhalle für sechs Fahrzeuge untergebracht sind.

Auf dem Bild erkennen wir eine uniformierte Person auf der hinteren Plattform des Triebwagens. Das hat folgenden Grund: Da die Zufahrt zum Innenhof nur vom – in Blickrichtung – linken Gleis aus möglich war, wechselten Wagen vom Bahnhof über einen Gleiswechsel auf das „falsche“ Gleis, um dann nach kurzer Fahrt links abzubiegen. Das Gleiche galt auch für die Zufahrt zum Bahnhofspostamt in der Mainzer Landstraße. Um den Durchgangsverkehr möglichst wenig aufzuhalten, fuhr deshalb ein zweiter Postbeamter als Weichensteller mit, der hier auf seinen nächsten Einsatz wartet.

Das Hauptpostamt wurde im Krieg nahezu total zerstört. Da aber die unterirdischen Telefonkabel hier an die Oberfläche traten, wurde das Gebäude als Fernmeldeamt neu gebaut und 1954-56 eröffnet. Auf die alte Hofzufahrt von der Zeil her war dabei aus Sicherheitsgründen verzichtet worden.

Eine Anekdote am Rande: Die geplante Höhe des Fernmeldeamts von 55 m wurde damals von der Stadtverwaltung mit Rücksicht auf den nahegelegenen Dom nicht genehmigt. So ragte Frankfurts erstes Hochhaus nur etwa 40 m in die Höhe! Im Zuge der Verdichtung der Handels- und Büroflächen in der Frankfurter Innenstadt musste es 2004 dem Projekt „palaisquartier“ weichen, das 2009 seine Türen öffnete. Zu dem Komplex gehören auch zwei – für Frankfurter Verhältnisse – eher „kleine“ Hochhäuser von 136 m und 99 m Höhe.

Als eine der letzten Freien (Reichs)städte“ (bis 1866) hatte Frankfurt zwar nie ein Schloss, aber Bürger, die ihren Reichtum in repräsentativen Bauten zur Schau stellten. Barocke und klassizistische Palais säumten deshalb im 19. Jhdt. die Zeil als Vorzeíge-Boulevard. Ab der Wende zum 20. Jhdt. verdrängten dann allmählich Kaufhauspaläste die alte Wohnbebauung.

Die „Zeil“ gehört heute zu den drei meistfrequentierten Einkaufsstraßen in Deutschland und ist bereits seit den 70er Jahren eine Fußgängerzone. Die früher ier verkehrenden Straßenbahnen verlaufen seitdem als Stadtbahn-Linien U6 und U7 auf gleicher Strecke unterirdisch, gemeinsam mit der S-Bahn-Stammstrecke.

-gk- / Foto: Sammlung -gk-