Seit den 90er Jahren lösen Niederflurwagen in Deutschland die viele Jahre stadtbildprägenden Düwag-Baureihen und deren Nachfolger der 70er und 80er Jahre Zug um Zug ab. Die Versuche, bei den neuartigen Konstruktionen mit Leichtbau und innovativen Fertigungsmethoden Gewicht einzusparen, führten allerdings dazu, dass die Lebensdauer früherer Wagengenerationen nicht mehr erreicht wird. Die Fahrzeugtypen der 90er Jahre werden keinen zweiten Frühling in Osteuropa erleben, sondern oft schon bald in der Wiederverwertung enden. Die Entwicklung in Bochum belegt dies genauso wie die kürzlich erfolgte Ersatzbestellung in Bonn, wo der Verkehrsbetrieb die teilweise 20 Jahre älteren B-Wagen aufwendig renoviert, weil deren Substanz dies noch lohnend erscheinen lässt.
Für die Museumssammlungen stellt sich damit schon bald die Frage, ob auch Niederflurwagen in die Bestände aufgenommen werden sollten. Dagegen spricht nicht nur der Unterhaltungsaufwand – insbesondere das Problem der fehlenden Ersatzteile für die Elektronik-Komponenten, – sondern auch der Platzbedarf. Die Baureihen erreichen heute Längen, auf denen man in der Wagenhalle bequem drei alte Zweiachser unterbringen kann.
Wir zeigen deshalb diese Woche einen Vertreter der teilweise gewöhnungsbedürftigen Niederflurwagen, die langsam, aber in wachsender Anzahl die japanischen Straßenbahnbetriebe modernisieren. Mit einer Länge zwischen rund 14 und 18 m könnten Sie auch in der Kohlfurth noch gut Platz finden.
Da in der Vergangenheit in Japan die gesetzliche Regelung galt, dass ab einer Fahrzeuglänge von ca. 14 m eine zweite Person des Verkehrsbetriebs auf dem Fahrzeug mitfahren muss, ist die Infrastruktur. z. B. die Länge der Haltestelleninseln, auf kurze Fahrzeuge ausgelegt. Deren geringere Kapazität wird durch dichtere Fahrplantakte kompensiert. Gleiches gilt übrigens auch für die Busse; es gibt in Japan keine Gelenkbusse. Folglich bewegten auch die ersten Niederflurwagen in der 14m-Klasse.
Nachdem diese Längenvorgabe auf ca. 18 m erweitert wurde, sind auch die Niederflurwagen mitgewachsen. Moderne Straßenbahnwagen in einem Format, das wir in Europa als üblich kennen, verkehren aber nur in Hiroshima und sind dort zusätzlich mit einem Schaffner besetzt.
Das abgebildete Fahrzeug des Herstellers Alna Sharyo gehört dem nordjapanischen Betrieb von Hakodate, der zwei Linien mit 1372 mm Spurweite und zusammen knapp 11 km Streckenlänge bedient. Der Wagen ist 13,25 m lang. Tw 9602 wurde 2010 geliefert, mittlerweile zählen drei Wagen der Serie zum Bestand. In Japan wird links gefahren: der Einstieg befindet sich in der Mitte und der Ausstieg beim Fahrer, bei dem beim Aussteigen bezahlt wird.
Übrigens qualifiziert noch ein weiteres Merkmal Tw 9602 zum Museumswagen: Das Fahrzeug enthält nur wenig moderne Elektronik und wird mit einem klassischen Fahrschalter gesteuert!
-gk- / Foto: -gk- (24. September 2017)