KW 38/2018 – Kopenhagen: Wonderful, wonderful Copenhagen…

Guido KorffBild der Woche

Auf den ersten Blick könnte man meinen, wir hätten erneut ein Bild vom Wittener Rathaus vor uns – doch halt: es gibt einen Turm mehr! Damit der Norden in unserer Bildauswahl nicht zu kurz kommt, sind wir diesmal in die dänische Hauptstadt Kopenhagen gereist.

Zugleich gratulieren wir damit dem dänischen Straßenbahn-Museum in Skjoldenaesholm zu seinem 50. Geburtstag!

Die Titelzeile erinnert an einen Schlager aus dem Jahr 1952, der von Danny Kaye in einer US-amerikanischen Schmonzette über den berühmtesten Sohn des Landes – Hans Christian Andersen – gesungen wurde. Aber warum „wonderful“? Da gibt es in Kopenhagen noch die „Kleine Meerjungfrau“ aus einem Märchen von Andersen – und dann fällt einem keine weitere bedeutende Sehenswürdigkeit mehr ein. Also muss der Rathausplatz herhalten. Immerhin sehen wir hier eine Reihe reizvoller Straßenbahnfahrzeuge.

Da sind wir Straßenbahn-Fans im Vorteil, denn die 100 Düwag-Sechsachser – auch jetzt teilweise noch in Alexandria im Einsatz – haben die Erinnerung an den Straßenbahnbetrieb in Kopenhagen wachgehalten. Im dänischen Museum wird man demnächst sogar wieder ein zurückgekehrtes, restauriertes Exemplar im Einsatz erleben können.

Unser Nachbarland im Norden ist von der Fläche zwar nicht klein, aber mit 5,8 Mio. Einwohnern nur etwa halb so dicht besiedelt wie der große Nachbar im Süden. Nach der Millionenstadt Kopenhagen folgen deshalb als nächstkleinere Aarhus mit nur noch ca. 270 Tsd. Einwohnern und danach nochmals deutlich kleinere Städte. Da ist es verständlich, dass das Land insgesamt nur drei Städte / Gebiete mit Straßenbahnen aufzuweisen hatte: Odense (bis 1952), Aarhus (bis 1971) und die Agglomeration rund um die Hauptstadt Kopenhagen (bis 1972).

Kopenhagen wurde schon recht früh von mehreren Bahngesellschaften – damals noch Pferdebahnen – erschlossen, die aber schon nach wenigen Jahren zu einem großen Teil fusionierten. Dabei hielt sich der etwas größere Betrieb der Nachbarkommune Frederiksberg bis 1919 selbständig und wurde erst dann von KS (Kobenhavns Sporveje) übernommen. Noch heute teilt sich die eigenständige Großstadt Frederiksberg den Nahverkehr mit Kopenhagen (etwa vergleichbar mit der früheren Situation in Nürnberg / Fürth).

Wesentlich länger unabhängig blieb allerdings der Betrieb der NESA (ein großer Stromkonzern ähnlich RWE), der bis 1953 die selbständigen Gemeinden nördlich der Hauptstadt auf Straßenbahnschienen mit Kopenhagen verband. Die nächsten 18 Jahre verkehrten hier Obusse (bis 1971) und drei Jahre später ging die Verkehrsabteilung der NESA mit elf anderen Gesellschaften in der neuen „Verkehrsgesellschaft der Hauptstadtregion“ (HT) auf. Bemerkenswert ist dabei noch die Tatsache, dass die NESA-Straßenbahnen in ihren späteren Jahren in dem gleichen gelb-weißen Farbschema wie die Fahrzeuge der KS lackiert waren.

Unser Bild vom Rathausplatz zeigt den namensgebenden Bau von 1905 rechts im Bild. Die beiden anderen Türme gehören zum Palace Hotel (Mitte) und zum Hotel Bristol (links). Der Platz war nicht nur das Zentrum des „bürgerlichen“ Kopenhagen, sondern auch das Herzstück des Straßenbahnnetzes. Neben Gleisen am Rande des Platzes kreuzten damals auch zwei Strecken den Platz diagonal und schufen ein großes Gleiskreuz mitten auf der freien Fläche. Darum herum gruppierten sich dann die ersten Bushaltestellen, von denen aus u. a. die naheliegende, enge Altstadt bedient wurde.

Die Doppelstockwagen, von denen wir einen im Vordergrund sehen, waren eine Spezialität der FS, der „Frederiksberg Sporveje“. Was man hier nicht gut erkennen kann: die obere Etage erstreckt sich lediglich über den Hauptwagen und ist auch nur zur Hälfte überdeckt; die andere Hälfte hat kein Dach. Die Fahrzeuge waren schon damals Einrichtungswagen, denn mitten auf dem Oberdeck diente eine senkrechte Stange zwischen den Sitzreihen als Sockel für den Stromabnehmer, der nur über dem offenen Wagenteil frei ausdrehen konnte. Die hintere Plattform war zudem offen, trug die Treppe zum Oberdeck und hatte dadurch keinen Raum für einen Fahrschalter. Immerhin durfte der Fahrer aber schon damals (Baujahr 1915) von einem geschlossenen Plattform profitieren. Auch die KS setzte Doppelstockwagen ein; aber deren Auslegung war symmetrisch für beide Richtungen.

Ein weiteres interessantes Detail erkennen wir ganz rechts am Bildrand: Der Wagen auf Linie 8 trägt schon eine der großen Nummerntafeln, die so markant für die Kopenhagener Straßenbahn standen.

Was die Rolle der Straßenbahn als Stadtverkehrsmittel angeht, hat sich in Dänemark mittlerweile der Wind gedreht: In Aarhus fährt seit dem letzten Jahr wieder eine „Letbane“, was man mit „leichter Bahn“ übersetzen könnte. Es handelt sich dabei um ein Tram-Train-Konzept, das etwas an Heilbronn erinnert. In Odense ist das entsprechende Projekt ebenfalls auf dem Weg der Realisierung (Eröffnung geplant für 2020). Auch nach Kopenhagen soll die Straßenbahn zurückkehren; der Bau einer 28 km langen Ringbahn ist beauftragt; 27 vierteilige Avenios von Siemens sollen ab 2024 zum Einsatz kommen.

Zum Schluss noch eine Buchempfehlung: „Der kommer altid en Sporvogn“ heißt das herrlich illustrierte (viele tolle Farbbilder!) Buch von Flemming Soeborg von 2015. Es konzentriert sich zwar auf Kopenhagen, widmet aber auch den anderen beiden ehemaligen Betrieben Kurzportraits, so dass die Straßenbahngeschichte Dänemarks umfassend abgedeckt wird.

-gk- / Foto: Sammlung -gk