KW 33/2018 – Le Mans: Lassen Sie sich kein „X“ für ein „U“ vormachen…

Guido KorffBild der Woche

Spannende Brückenkonstruktionen faszinieren den Betrachter. So gehört die Kohlfurther Brücke mit ihren markanten Portalen fest zur „Identität“ unseres Straßenbahnmuseums. Auch andernorts sind Brücken beliebte Fotomotive und wurden auf Ansichtskarten verewigt. Heute zeigen wir jedoch eine Konstellation, die selbst Ihren Redakteur überrascht hat.

Le Mans liegt im Nordwesten Frankreichs, etwa auf halbem Weg zwischen Paris und Rennes (Bretagne). Die Stadt ist bei uns vor allem als Ort einer Straßenrennstrecke („24 Stunden-Rennen“) bekannt. Le Mans ist an das TGV-Netz angeschlossen und verfügt seit 2007 über eine moderne „neue“ Straßenbahn mit zwei Linien und 18,8 km normalspuriger Strecke, die vor allem durch ihre vergleichsweise geringen Baukosten positiv aufgefallen ist.

Wo es eine „neue“ Tram gibt, war vorher zumeist schon eine „alte“. In Le Mans verkehrten bis 1947 die meterspurigen Wagen der „Compagnie de l’Ouest Électrique“ (COE). Ergänzt wurde dieses Angebot durch die ebenfalls meterspurigen Lokalbahnzüge der „Compagnie des Tramways de la Sarthe“, die im gleichen Jahr wie die elektrische Bahn ihren Betrieb einstellte und Le Mans in der Innenstadt für ziemlich genau 60 Jahre schienenfrei machte.

Sarthe heißt auch der Fluss, der Le Mans durchquert. Im Norden der Innenstadt – zu Füßen der Kathedrale – kreuzten sich beide Bahnen im rechten Winkel – und das genau über der Sarthe! Auf dem Bild sehen wir somit gleich drei Flussbrücken dicht beieinander.

Beginnen wir ganz links mit der „normalen“ Straßenbrücke. Rechts hinten kommt vom Hauptbahnhof die Strecke der Dampfbahn heran, die die Innenstadt am Rande passiert hat. Nach der Flussquerung geht es links nach Ségrie weiter. Als dritte Brücke erkennen wir dann die Route der Straßenbahn, die den Höhenrücken mit der Kathedrale in einer Unterführung (vor Ort „Tunnel“ genannt) unterfahren hat und sich rechts im Vordergrund zum „Allgemeinen Krankenhaus“ fortsetzt. Man beachte den großen Bogen, der – diagonal über der Schienenkreuzung angebracht – die Fahrleitung der Tram trägt.

Der kleine Straßenbahnbetrieb in Le Mans bestand aus drei Linien, die 1897 eröffnet wurden. Der Niedergang begann 1936 mit der Stilllegung der Tram über die gezeigte Brücke. Zwar hatte die Bahngesellschaft schon 1933 einen Vetra-Obus getestet, aber statt eines Trolleybus-Betriebs wurden Renault-Omnibusse beschafft. Erst 1944 erzwang der Kraftstoffmangel den Einsatz von Obussen auf der ehemaligen Linie 3. Als nach dem Krieg neue Fahrzeuge verfügbar wurden, übernahm der Obus auch den restlichen Trambetrieb und hielt sich bis 1969.

Die Dampfbahn hatte sich ab 1882 über das Umland ausgebreitet und in ihren besten Jahren ein sternförmiges Netz von 416 km unterhalten – mit Le Mans im Zentrum. Trotz des frühen Endes der Bahn im Jahre 1947 sind drei Dampf-Tramway-Loks bei zwei verschiedenen Museumsbahnen erhalten; die Nr. 60 von 1898 sogar einsatzfähig! Außerdem haben fünf Personenwagen – zwei Zweiachser und drei Drehgestellwagen – ebenfalls überlebt.

Das Krankenhaus am früheren Ende der Linie 3 wird heute wieder auf Straßenbahnschienen erreicht. Es liegt an der neuen Linie „T1“, die jedoch viel weiter nach Westen als früher zur Universität weiterfährt. Sie überquert die Sarthe aber auf einer anderen, 400 m weiter südlich gelegenen Brücke, die damals schon von der Linie 2 zum Friedhof genutzt worden war.

-gk- / Foto: Sammlung -gk