KW 31/2017 – San Francisco: Barrierefreiheit pragmatisch

Guido KorffBild der Woche

In der letzten Woche haben wir uns mit der Herausforderung beschäftigt, hochflurige Stadtbahnnetze durchgängig barrierefrei zu gestalten. Hier sehen wir ein Beispiel aus den USA, wie diese Aufgabe bereits vor 20 Jahren angegangen wurde.

Zu einer Zeit, als zahlreiche der neueren Systeme noch nicht gebaut waren, musste der Verkehrsbetrieb von San Francisco eine Lösung für eines der wenigen klassischen Straßenbahnsysteme finden, die in den USA die lange „Durststrecke“ in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überlebt hatten. Mit dem neuen Tunnel unter der Market Street in der Innenstadt (eröffnet 1980) war die gemischte Bedienung von Hochbahnsteigen und Haltestellen auf Fahrbahnniveau mit Stadtbahnwagen unausweichlich geworden.

Ähnlich wie in Deutschland sah man seinerzeit die Notwendigkeit für Einstiegshilfen vor allem für behinderte Menschen, die z. B. in Rollstühlen sitzen. Für diese zahlenmäßig überschaubare Kundengruppe hielt man deshalb an problematischen Stellen im Stadtbild den Zugang an einer einzigen Tür des Fahrzeugs für ausreichend. In der Folge entstanden an den Haltestellen mitten auf der Straße „Mini-Bahnsteige“ wie der im Bild gezeigte. Man beachte die Dekorelemente an der Seite der Rampe, die dem Beton wohl ein gefälligeres Aussehen verleihen sollen…

Wie an den Fahrbahnmarkierungen zu erkennen, ist für die Fahrgäste mit „Handicap“ die hintere Tür des Wagens vorgesehen, eine kurze Verkehrsinsel mit Wetterschutzdach befindet sich auf Höhe des Triebwagens. Die gute Absicht leidet allerdings unter zwei Schwachstellen: (1) der Haltestellenbereich ist für einen einzelnen Sechsachser viel zu lang und (2) bei den Breda-Wagen befindet sich hinten neben der Fahrerkabine nur eine einflügelige Tür. Eine Überprüfung bei Google zeigt aber, das die Bahnsteige auch heute noch unverändert so existieren.

Abschließend noch ein paar Worte zum hier sichtbaren USSLRV von Boeing Vertol, der als moderner Nachfolger des PCC-Wagens gedacht war. Das Konzept zeigt Parallelen zum deutschen Stadtbahnwagen „Typ B“, der aber wegen Richard Nixons „Buy American“-Politik nicht importiert werden durfte. Ein einheimischer Hersteller ohne entsprechende Erfahrungen stellte dann ein Fahrzeug auf die Gleise, dass anfangs wegen technischer Mängel mehr in der Werkstatt als im Betrieb anzutreffen war. Glücklicherweise ist es den beiden Kunden Boston und San Francisco gelungen, die Wagen später doch noch längerfristig einsatzreif zu machen. Als nächste Generation folgten Gelenkwagen von der Maschinenfabrik Breda in Italien, deren Produkte aber auch nicht gerade für Zuverlässigkeit bekannt sind.

Vielleicht bessert sich das mit der dritten Generation der Stadtbahnwagen? San Francisco hat im September 2014 bei Siemens 175 Sechsachser bestellt und bereits eine Option über 40 weitere Wagen gezogen. Da sich Geschichte bekanntlich wiederholt und derzeit ein Wiedergänger von Richard Nixon in den USA das Sagen hat, mag diese Wahl verwundern, aber Siemens hat daraus gelernt und produziert die Fahrzeuge komplett in den USA und fast vollständig mit amerikanischen Bauteilen.

-gk- / Foto: -gk- (11. Februar 2001)