KW 21/2018 – München-Hbf: Die Visitenkarte der Stadt

Guido KorffBild der Woche

Wir blicken hier auf den Bahnhofsvorplatz der bayerischen Haupt- und Residenzstadt München kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende. Außer vier Straßenbahnwagen, zwei davon mit offenen Sommer-Beiwagen, bevölkern nur Fahrzeuge den Platz, die von tierischer Muskelkraft bewegt werden. Von den neumodischen „Automobilen“ noch keine Spur!

Das Empfangsgebäude wirkt in seiner nachempfundenen Renaissance-Architektur ungewöhnlich, passt aber mit seinen Säulengängen, Giebeln und Türmchen zu dem italienischen Baustil, den die bayerischen Könige ihrem Regierungssitz verordnet hatten. Da das Stadtschloss nach außen wenig repräsentativ daherkommt, mussten andere Bauten diese Lücke füllen, so auch der Hauptbahnhof von 1848, der also noch unter Ludwig I. entstand.

Zu dieser Zeit hielt sich München die „schmutzigen“ Industrien noch weitgehend vom Leibe und überließ die qualmenden Schlote Augsburg oder Nürnberg. Altmodisch war man aber dennoch nicht; die Isar trieb im Stadtgebiet verschiedene Fabrikanlagen an und lieferte auch schon Strom. Das Bahnhofsgebäude verfügte ebenfalls über modernste Technik, u. a. über eine zentrale Heißwasserheizung. Auch wenn auf dem Bild nur vornehm gekleidete Herrschaften flanieren – die Münchner Bevölkerung wuchs rasch; die Stadt war schon seinerzeit die drittgrößte im deutschen Reich nach Berlin und Hamburg.

Folglich verkehrte auch schon 1886 die erste elektrische Bahn im heutigen München – die dritte ihrer Art in Deutschland! Ein findiger Unternehmer schloss mit dieser Schienenstrecke seinen Bade- und Unterhaltungsbetrieb in der damaligen Stadt Schwabing an das seit 1876 bestehende Pferdebahnnetz an. 1895 startete dann die „nachhaltige“ Umstellung der Pferdebahn auf elektrischen Betrieb.

Der Hauptbahnhof wurde später mehrfach erweitert. Aber erst nach dem Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs wurde ein Neubau in Angriff genommen, dessen erster Teil, der Starnberger Flügelbahnhof, 1950 seine Türen öffnete. Das Projekt „München 21“ wurde zwar abgelehnt, dennoch entstehen jetzt die Pläne für eine nächste Generation des Hauptbahnhofs auf den Reißbrettern. Unter die Erde gelegt wird aber zum Glück nur die neue sog. „Zweite Stammstrecke“ für die S-Bahn, während der Fernverkehr an der Oberfläche bleibt. Allerdings muss die heutige Schalterhalle der Baugrube für den S-Bahn-Tunnel weichen, so dass die beiden Bauprojekte hierdurch verknüpft sind. Fertig werden soll das Ganze bis 2025 – schau’n mer mal…

Auf dem Bahnhofsvorplatz wird demnächst auch gebaut. Die Gleisanlagen der Straßenbahn sollen erweitert werden, um mehr Züge auf der Moosacher Strecke zu ermöglichen. Zusätzliche Weichenverbindungen erhöhen zudem die Flexibilität für Überholungen, Kurzwenden etc. Die Liniengruppe 20/21/22 in der Dachauer Straße verkehrt in dichtem Takt und wäre sicher „U-Bahn-würdig“, aber der vorhandene eigene Bahnkörper ermöglicht auch jetzt schon einen attraktiven Schnellverkehr, so dass sich das „Vergraben“ der Gleise wohl (zum Glück) nicht lohnt.

Einen Hinweis verdient auch noch das kleine Gebäude, das sich links in den Vordergrund vor den Bahnhof schiebt: seine Tür ist mit „Trambahn-Warte-Halle“ überschrieben. Seine Wände gleichen sich mit ihrem Streifenmuster der Bahnhofsfassade im Hintergrund an. Genau wie beim “großen Bruder” die Wartesäle ist dieser früher übliche Dienst an den Fahrgästen aber schon lange Geschichte!

-gk- / Foto: Sammlung -gk-