Sven Binder
Die Hattinger Kreisbahnen
Die Straßenbahnen in Hattingen, Blankenstein und Stiepel
SBB-Verlag, Dortmund 2024;
96 Seiten, Format 21,5 x 30 cm, gebunden, über 200 schwarzweiße und farbige Fotos sowie farbige Streckenkarten; dazu Vignetten von Zeitungsnotizen und Inseraten;
ISBN 978-3-910461-04-8.
Im BMB-Vertrieb erhältlich für 36,00 € (auf Wunsch auch im Versand).
Die großen Straßenbahnnetze des Ruhrgebiets entstanden nicht als homogene Betriebe unter einheitlicher Leitung, sondern wuchsen wie ein “Flickenteppich” nach und nach aus vielen Einzelunternehmen zusammen. Das spiegelt sich auch in der Fachliteratur wider, denn es gibt kaum Monographien, die einen heutigen Betrieb mit seinen einzelnen Vorläufern umfassend dokumentieren. Umso wichtiger sind die Veröffentlichungen, die die verbliebenen Lücken schließen.
Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise ist die Möglichkeit größerer Detailtiefe, während in den “großen” Monographien die kleinen Betriebe kaum über eine Randnotiz hinauskommen. Diese Chance nutzt auch der vorliegende Band, der ein kaum bekanntes Straßenbahnunternehmen im südlichen Ruhrgebiet vorstellt.
Die “Hattinger Kreisbahnen” gab es rechtlich eigenständig nur von 1920 bis 1933 und ihre Strecken waren immer schon eingebettet in die bestehenden Schienennetze der Nachbarstädte – in diesem Fall Bochum und Wuppertal. Obwohl die drei Linien durchaus ihre Reize hatten – so führte z. B ein steiler eingleisiger Abschnitt bis zuletzt (1969) durch die Hattinger Innenstadt – haben sich wohl nur wenige Straßenbahnfans nach Hattingen verirrt. Umso wertvoller sind die Bilder, die insbesondere von der Hauptstrecke nach Blankenstein einen anschaulichen Überblick vermitteln. Sie überzeugen außerdem durch ihr großes Format, das auch das Umfeld der Bahnstrecken gut erkennen läßt.
Eine Handvoll Fahrzeuge und ein kleines Depot mit Werkstatt sind schnell abgehandelt, stammten die Wagen doch teilweise von den Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen (Bogestra) und gingen nach der Auflösung der Gesellschaft auch wieder dorthin zurück. Der Grund für das Ende ist ungewöhnlich: Im Zuge der kommunalen Neuordnungswelle, die Ende der 20er Jahre Deutschland heimsuchte, wurde der alte Kreis Hattingen dem neugeschaffenen Ennepe-Ruhr-Kreis zugeschlagen. Dessen Verwaltung saß aber nicht mehr vor Ort und die dortigen Verantwortlichen verloren schnell die Lust an der “geerbten” Straßenbahn. Die Bogestra war zur Stelle und rundete ihr Netz im Süden ab. Die Strecke nach Blankenstein wäre sicher auch über 1969 hinaus aktiv geblieben, wenn Hattingen nicht eine Fußgängerzone ohne Gleise gewollt hätte. Der Fairness halber muss man aber auch erwähnen, dass im Zuge der damaligen Stadtbahn-Blütenträume eine Innenstadtumgehung zur Henrichshütte vorgesehen war, die allerdings nie realisiert wurde.
Stattdessen entstand eine kurze Neubaustrecke, die nicht nur die Innenstadt gut erschloß, sondern eine optimale Verknüpfung mit der S-Bahn nach Essen ermöglichte. Diese moderne Entwicklung vervollständigt die Geschichte der Bogestra in Hattingen.
Der Untertitel des Buches erfasst aber noch eine weitere Schienenstrecke, die von Südwesten her Hattingen erreichte: Eine Überland-Linie der Bergischen Kleinbahnen AG stellte über Nierenhof und Langenberg die Verbindung nach Wuppertal-Elberfeld her. Auch diese Strecke wird mit einem kurzen geschichtlichen Abriß und einigen Bildern vorgestellt.
Fazit: Ein recht großes Buch für einen recht kleinen Betrieb, dafür läßt der Text keine Fragen offen und die Bilder sind einfach nur stimmungsvoll. Für Fans der Bogestra oder der Bergischen Bahnen ein Muß, für Liebhaber von idyllischen Überlandstrecken eine Empfehlung.
-gk-