KW 41/2017 – Gelsenkirchen, wie hast du dich verändert!

Guido KorffBild der Woche

Nach verschiedenen „Exoten“ hier mal wieder ein Motiv aus der näheren Umgebung, das uns irgendwie vertraut vorkommt. Wahrscheinlich liegt es am Düwag-Sechsachser der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen, dessen Schwesterfahrzeug auf unser Museumsstrecke noch fleißig im Fahrdienst steht. Und doch ist so ziemlich alles auf diesem Bild mittlerweile verschwunden. Das betrifft nicht nur den „mobilen“ Anteil, sondern auch sämtliche Gebäude sind durch Neubauten ersetzt worden. Wer die Szenerie nicht mehr mit eigenen Augen gesehen hat: wir stehen vor dem Gelsenkirchener Hauptbahnhof!

Betrachten wir zunächst die Straßenbahn: Die Wagen der Linie 1 verkehren hier heute unterirdisch. Die nach rechts abzweigenden Gleise nutzte zuletzt die Linie 17, die mit der EVAG gemeinsam betrieben wurde. Sie bot eine direktere Verbindung zur Gelsenkirchener Altstadt als die noch bestehende Linie 7 (heute 107), die etwas nördlicher verläuft und sich mit der Linie 1 die Tunnelrampe am Musiktheater teilt. Da man sich jedoch eine weitere Tunnelzufahrt sparen wollte, wurde die Linie im Sommer 1978 eingestellt.

Weiter im Hintergrund erkennen wir einen zweiten Straßenbahnzug, der gerade Richtung Bochum unterwegs ist. Aus der Seitenaufteilung können wir schließen, dass es sich um einen der Einrichtungs-Sechsachser der Bogestra handelt, die viele Jahre lang auf der Linie 1 im Einsatz waren. Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen hatten ebenfalls zu den frühen Käufern der Düwag-Großraumwagen gehört; später entstanden daraus dann Gelenkwagen, deren Wendemöglichkeiten im Netz kaum noch zu erkennen sind. Zur Margarethenhöhe in Essen fuhren sie zuletzt sogar mit Beiwagen.

Nicht ignorieren wollen wir auch die beiden Büssing-Omnibusse in der einige Jahre gültigen Zweifarblackierung, die sich bei der Straßenbahn aber nicht durchsetzen konnte. Ein wenig erinnern sie an die Ennepetaler Wagen, die erst mit den „VÖV-Standardbussen“ ihr Design wechselten.

Blickfang der Aufnahme ist jedoch eindeutig das große Gebäude, das dem Architektur-Statement, dass „die Bahnhöfe die Kathedralen der Neuzeit“ seien, alle Ehre macht. Der Bau von 1904 wirkt wie ein Kirchenschiff und das riesige Glasfenster in der Front verstärkt diesen Eindruck. Daneben gab es aber auch allerlei Zierrat an der Fassade, doch die Luft im Ruhrgebiet hat alles mit einer Staubschicht zugedeckt. 1982 wurde der Bahnhof abgerissen und durch eine Art Shopping-Center mit Bahnsteigzugang ersetzt. Immerhin wurde das Glasfenster gerettet und in ein Nachbargebäude integriert.

Schließlich sehen wir ganz rechts einen „Silberling“, ab Anfang der 60er Jahre der dominierende Regionalverkehrswagen der Deutschen Bundesbahn. Auch ihre Zeit ist fast vorüber: Am Niederrhein verkehrt noch eine Garnitur und einige weitere Züge verdienen ihr Gnadenbrot in Baden-Württemberg – moderne Triebwagenzüge sind überall sonst an ihre Stelle getreten.

Wer heute in Gelsenkirchen an gleicher Stelle wie der Fotograf unser Ansichtskarte steht, wird die Stadt also nicht wiedererkennen, die Zeit des „Wirtschaftswunders“ hat ihr ein neues Gesicht gegeben. Ob sich dieses „Lifting“ wohl langfristig auszahlt?

-gk- / Foto: Sammlung -gk-