KW 38/2017 – Freiburg: Mit „Sputnik“ auf dem Weg nach oben

Guido KorffBild der Woche

Das Straßenbahnnetz der Stadt Freiburg wirkte in den 50er und 60er Jahren recht überschaubar. Nach der Einstellung der Linie 5 im Jahre 1961 bestand es im Wesentlichen noch aus zwei Strecken, die sich am Bertoldsbrunnen im Stadtzentrum kreuzten. Zwar verzeichnete der Fahrplan insgesamt vier Linien, aber zwei davon (1 und 3) dienten nur als Verstärker mit verkürztem Verlauf.

Zwischen 1959 und 1962 schrumpfte die befahrene Streckenlänge von knapp 20 km auf nur noch 14,2 km. Man hätte also glauben können, dass die Straßenbahn in Freiburg (damals lebten etwa 140.000 Menschen in der Stadt) keine lange Zukunft mehr vor sich gehabt hätte. Aber es kam anders.

Zumindest der Bestand des Betriebs sollte gesichert werden. Große Sprünge waren aber nicht zu erwarten. Deshalb entschlossen sich die Verkehrsbetriebe erst relativ spät zur Beschaffung von Gelenkwagen, nachdem sie an der Entwicklungsstufe der vierachsigen Großraumwagen erst einmal nicht teilgenommen hatte. Was dann 1959 von der Waggonfabrik Rastatt (Badener kaufen im badischen Rastatt, nicht im schwäbischen Esslingen) auf die Schienen gestellt wurde, wirkte eigentlich schon nicht mehr zeitgemäß. Die Ankunft der drei Sattelgelenkwagen 100 – 102 (vorn festes Fahrwerk, hinten Drehgestell) symbolisierte aber einen ersten, zwar zaghaften, aber nachhaltigen Modernisierungsschub, dem weitere Maßnahmen folgen sollten.

Folglich wurden die Wagen von der Bevölkerung nach dem damals populären Satellitenprogramm „Sputnik“ getauft. Raketen standen damals noch für Fortschritt und positive Zukunftserwartungen, anders als heute, wo sie in den Händen unberechenbarer Diktatoren eher als Bedrohung empfunden werden.

In den 60er Jahren zeichnete sich ab, dass die Bevölkerung der Stadt kontinuierlich anstieg. Neuer Wohnraum für die hinzukommenden Bürger sollte in der weiten Rheinebene im Westen des historischen Stadtkerns entstehen, denn im Osten ging es steil hinauf auf den Schwarzwald. Der Mut der Stadtverwaltung, in dieser Situation auf die Straßenbahn zur Erschließung zu setzen, zahlte sich aus. 1983 eröffnete die erste Neubaustrecke Richtung Landwasser, 1984 folgte der nächste Coup: die Einführung einer preiswerten Umweltschutzmonatskarte. Erfolg: die Fahrgastzahlen stiegen innerhalb von zwei Jahren von 24,5 Mio. auf 33,8 Mio.

Dreißig Jahre später hat Freiburg über 220.000 Einwohner und der Verkehrsbetrieb VAG befördert jedes Jahr auf der Schiene sogar doppelt so viele Fahrgäste wie Anfang der 80er Jahre. Statistisch fährt damit jeder Freiburger 290 mal im Jahr mit der Straßenbahn bzw. 350 mal mit allen angebotenen Verkehrsmitteln. Das ist mit Abstand der Spitzenwert in Deutschland! In der Schwebebahnstadt Wuppertal liegt diese Quote z. B. bei ca. 260.

Die Freiburger Erfolgsgeschichte ist aber noch nicht zu Ende, denn weitere Straßenbahnstrecken befinden sich in Planung oder Bau.

Schließen wir den Kreis zu den drei kleinen Gelenkwagen: aufgrund des großen Fahrgastwachstums konnte bis 1993 nicht auf ihren Einsatz verzichtet werden. Tw 100 blieb als restaurierter Museumswagen erhalten.

Das Motiv aus der Freiburger Innenstadt, das wir hier sehen, hat den Sprung in die moderne Zeit jedoch nicht geschafft. Zwar steht das Schwabentor von 1250 noch heute, denn es zählt mit dem Martinstor und dem Münster zu den Wahrzeichen der Stadt, aber sämtliche anderen hier sichtbaren Häuser haben in den 60er Jahren dem Ausbau der Altstadt-Ringstraße weichen müssen.

-gk- / Foto: Sammlung -gk-