KW 37/2017 – Mülheim: Abschied von den Hochflur-Sechsachsern

Guido KorffBild der Woche

Das Konzept der „Stadtbahn Ruhr“ ist ein Musterbeispiel für die Erkenntnis: „Gut gemeint“ bedeutet nicht immer auch „Gut gemacht“. Die politische Gier nach Zuschüssen war in den 70er Jahren meistens größer als die wirtschaftliche Vernunft, die Folgekosten wurden einfach ausgeblendet.

Obwohl der Ausbau auf halber Strecke steckenblieb, hängt der Investitionsstau für die überdimensionierten Tunnelstrecken den heutigen Stadtkämmerern wie ein Mühlstein um den Hals. Die Not geht mancherorts so weit, dass einige Städte gleich den gesamten innerstädtischen Schienenverkehr in Frage stellen.

So auch in Mülheim an der Ruhr. Zusammen mit der Bogestra zählte die dortige Straßenbahn bis vor kurzem zu den letzten Nutzern der noch hochflurigen M6-Triebwagen von Düwag. Deren Kapazität von 140 Fahrgästen (bei 4 Stehplätzen pro qm) bewältigt mittlerweile fast auch ein Gelenkbus. Deshalb war es durchaus richtig, die „Straßenbahnwürdigkeit“ der mit den M6 befahrenen Linien kritisch zu analysieren.

Für den anderswo längst vollzogenen Übergang zu Niederflurfahrzeugen fehlte in Mülheim – abgesehen vom Oberhausener Projekt vor 20 Jahren – lange Zeit wohl das Geld – oder aber der politische Wille? Seit 2015 fahren nun die Bombardier Flexity M8D-NF2 auf dem nach Abgang der Strecken nach Styrum und zum Flughafen geschrumpften Netz. Das Risiko dieser Kaufentscheidung ist gering: baugleich mit den Essener Wagen, könnten sie im „Falle eines Falles“ problemlos an den Nachbarbetrieb abgegeben werden.

Auf unserem Bild sehen wir einen Düwag-Sechsachser (auch ein Hochflur-Wagen) der Essener Verkehrs-AG, der in den 60er Jahren solo auf der Leineweberstraße in Richtung Westen unterwegs ist. Die Liniennummer irritiert etwas, denn die SL 11 verkehrte um diese Zeit zum Flughafen, aber ganz falsch kann sie nicht sein, da der Wagen gut mit Fahrgästen besetzt erscheint.

Im Hintergrund steuert ein weiterer Essener Straßenbahnzug (erkennbar an seinem zweiachsigen Beiwagen im Großraumwagen-Design) den Kaiserplatz an, während links durch die Schloßstraße hindurch ein Oberhausener Westwaggon-Sechsachser an der Haltestelle Rathaus zu erkennen ist. Das Stadtbild im Stil der 50er Jahre hat sich bis heute kaum verändert, aber die Straßenbahn im Vordergrund ist verschwunden. Sie verkehrt in der Leineweberstraße seit einigen Jahren unterirdisch.

Natürlich vermisst man einen Mülheimer Zug auf der Ansichtskarte. Hat das Bild also Symbolcharakter? Führt die „Fusionitis“ vielleicht dazu, dass irgendwann nur noch Essener (und eventuell Oberhausener) Straßenbahnen das Zentrum von Mülheim bedienen?

-gk- / Foto: Sammlung -gk-