KW 35/2017 – Wirtschaftswunder in Wuppertal

Guido KorffBild der Woche

Wuppertal war im Zweiten Weltkrieg im Bereich der Talsohle stark zerstört worden. Da lag es nahe, der Stadt in den Jahren des Wiederaufbaus ein neues, modernes Gesicht zu geben. Sehr früh – und recht konsequent – genutzt wurde diese Chance mit dem im Hintergrund erkennbaren “Glanzstoff-Hochhaus”, das zwischen 1954 und 1958 errichtet wurde. Es wirkte mit seiner Höhe von 47 m viele Jahre lang als Wahrzeichen der damals noch starken Textilindustrie – heute steht es unter Denkmalschutz.

Ein weiterer Betrieb der Branche – das Bekleidungshaus Koch am Wall – gab sich deutlich weniger Mühe und verkleidete die Gebäudereste, die den Bombenhagel überlebt hatten, mit einer phantasielosen Lamellen-Fassade, die sich seinerzeit aber durchaus einer gewissen Popularität erfreute. 2014 wurde das zuletzt leerstehende Bauwerk abgerissen und durch ein Bürohaus ersetzt.

So rundlich wie die Hausecke von Koch am Wall präsentierte sich ab 1950 auch die Schwebebahn mit ihrer neuesten Wagen-Generation. Während die modernen Hochhäuser eher wie riesige Schuhkartons wirkten, war ansonsten der letzte Schrei des Zeitgeschmacks das „Nierentisch-Design“, das keine Ecken und Kanten duldete. Schwebebahnzug 75+76 zeigt sich hier formal auf der Höhe der Zeit, wenngleich Kritiker behaupten, dass es sich technisch um eine überholte Vorkriegskonstruktion gehandelt habe.

Trotz all dem aufkommenden Wohlstand musste sich die meterspurige Straßenbahn dagegen eher mit dem „Katzentisch“ begnügen. Für sie wurde u. a. altbrauchbares Material aus Ennepetal beschafft, das nach der Stilllegung dieses Wuppertaler Nachbarbetriebs 1956 frei wurde. Auf unserem Bild kann zumindest der Triebwagen aus der Serie 135-143 im Vergleich dennoch ganz gut mithalten – eine zur Bauzeit moderne Konstruktion (Stahlaufbau) und eine ordentliche Aufarbeitung hatten dafür die Grundlage gelegt. Es fehlen allerdings noch die markanten, gummigefassten Führerstandsfenster mit den allseits runden Ecken, die die Annäherung an den „Nierentisch“ perfekt gemacht hätten.

Der Beiwagen korrespondiert dagegen eher mit dem Hochhaus: großflächig, glatt und kantig. Er steht als “Kriegsstraßenbahnwagen” noch für eine Zeitepoche, die man damals möglichst schnell hinter sich lassen wollte.

-gk- / Foto: Sammlung -gk-