KW 34/2017 – Spiekeroog: Die Trambahn mit den nassen Füssen

Guido KorffBild der Woche

Was Sie hier sehen, ist eine Straßenbahn! Denn als „Straßenbahn“ war die meterspurige Spiekerooger Inselbahn bis 1949 konzessioniert. Genau so lange reisten die Badegäste mit Deutschlands letzter Pferdebahn für den öffentlichen Verkehr über die Schlussetappe in ihre Sommerferien. Mit diesem Konzept stand die Insel aber nicht allein, auch Langeoog und Juist empfingen ihre Besucher anfangs mit Pferdetraktion.

Die Schiffe vom Festland machten an dem im Hintergrund sichtbaren Anleger fest. Dort stiegen die Reisenden samt Gepäck um, und ihr „Hafermotor“ trabte mit ihnen zum Hauptort der Insel. Am Fotostandpunkt herrscht ein relativ niedriger Wasserstand, denn das Zugpferd läuft neben dem Gleis direkt auf dem Meeresboden und ist noch fast vollständig über Wasser. Allerdings sind die Räder der Wagen extra vergrößert, um im Verlauf der Strecke auch tiefere Stellen passieren zu können. Man kann also schon erahnen, wie weit das Pferd auf der bevorstehenden Strecke noch „baden“ geht.

In der Zeit vor der Pferdebahn mussten die Gäste vom Schiff in sog. „Wattwagen“ umsteigen – hochrädrige Karren, die wenig komfortabel auf das Festland rumpelten.

Der Inselbahnbetrieb auf Spiekeroog lief bis zum Zweiten Weltkrieg eher beschaulich. Die Pferdebahnen verkehrten immer als Einzelwagen, während auf den anderen Inseln die Pferde nicht nur mehrere Anhänger gleichzeitig zogen, sondern auch schon früh von der leistungsfähigeren Dampf- oder Dieseltraktion abgelöst wurden. Spiekeroog versorgte sich dagegen noch in den 30er Jahren mit gebrauchten Pferdebahnwagen aus Werder / Havel und Stadthagen (stillgelegt 1926 bzw. 1930).

Nach dem Zweiten Weltkrieg profitierte Spiekeroog davon, nicht zur Festung ausgebaut gewesen zu sein. Da die Bombenschäden im Vergleich zu den anderen Inseln gering waren, zog Spiekeroog unerwartete Massen von Touristen an. Man reagierte schnell: Motorfahrzeuge und Personenwagen wurden teilweise auf den anderen Inseln „geliehen“ und später auch gekauft, die Pferdebahn eingestellt und der Betrieb zur Kleinbahn umkonzessioniert. Der Personenverkehr endete 1981 nach dem Bau eines ortsnahen Hafens.

Heute kann man auf einem Reststück der Strecke von Mitte April bis Oktober wieder mit einer Pferdebahn fahren. Der Hafermotor startet fünf Mal am Tag am ehemaligen Kleinbahnhof zu einem Ausflug in die Dünen. Die einfache Fahrt dauert ca. 12 Minuten. Die Schienen wurden zwischenzeitlich sogar schon einmal erneuert.

Ein PS zum Thema „Barrierefreiheit“: Zum Charakter als Straßenbahn gehörte es seinerzeit auch, dass am Kleinbahnhof im Ort kein Bahnsteig angeschüttet wurde. Bei den höher gelegten Wagen wohl kein uneingeschränktes Vergnügen!

-gk- / Foto: Sammlung -gk-