Juli 2018 – Kleinbahn-Erinnerungen

Guido KorffBuch des Monats LISTE

Gerd Wolff / André Marks
Kleinbahn-Erinnerungen
Mit Gerd Wolff durch die Bundesrepublik 1948 bis 1986

VGB Verlagsgruppe Bahn, Fürstenfeldbruck / Klartext Verlagsgesellschaft, Essen 2018
256 Seiten, Format 22,5 x 29 cm, gebunden, ca. 430 Abbildungen, Tabellen und Netzdiagramme;
ISBN 978-3-83751936-5

Im BMB-Vertrieb erhältlich für 39,95 €

Ein neues Verlagsduo fällt in letzter Zeit durch hochwertige Publikationen auf. Verlagsgruppe Bahn (u. a. MIBA) und Klartext Verlag (Funke Medien) liefern Bücher, die sich durch gut gemachte Inhalte und hochwertige Präsentation von der lieblos zusammen geschusterten „Massenware“ einiger Wettbewerber abheben.

Nach reinen Eisenbahnthemen folgen jetzt auch die ersten Titel, die Kleinbahnen zum Inhalt haben. Gleich bei der ersten Neuerscheinung handelt es sich um ein Buch, dass Ihrem Rezensenten so gut gefallen hat, dass er es an dieser Stelle vorstellt, auch wenn nur auf wenigen Seiten elektrische Fahrzeuge zu sehen sind. Hier einige Gründe dafür:

(1) Auch reine Straßenbahnfreunde kennen den Namen Gerd Wolff, der mit seiner Reihe „Deutsche Klein- und Privatbahnen“ das Standardwerk zur (west)deutschen Kleinbahnszene geschaffen hat, dem auf der Straßenbahnseite als Gegenstück die Reihe von Dieter Höltge gegenüber steht. Nach mancher elektrischen Kleinbahn muss man dann eben bei Wolff nachschlagen. Wenig bekannt ist jedoch, das Gerd Wolff aus Barmen stammt und über seinen Vater Ernst Julius auch mit dem Freundeskreis um Carl Bellingrodt verbunden war. Das einleitende Kapitel gibt erstmals einen privaten Einblick aus Gerd Wolffs Perspektive in die damalige „Szene“ und schildert anschaulich, mit welchen Mitteln seinerzeit Verkehrsgeschichte erforscht und aufgezeichnet wurde.

(2) Der Hauptteil des Buches gliedert sich in Berichte zu achtzehn Kleinbahnen, die Gerd Wolff im Laufe von fast 40 Jahren teilweise mehrfach besucht hat. Der Begriff „Kleinbahn“ ist auch so zu verstehen, dass eher kleine Betriebe im Mittelpunkt stehen. Es handelt sich jeweils um Momentaufnahmen, die so anschaulich geschildert werden, dass die besuchte Bahn vor dem inneren Auge wieder lebendig wird. Man könnte jetzt z. B. an Karl-Ernst Maedel erinnern, jedoch vermeidet Gerd Wolff jeglichen Schwulst, der Maedel manchmal nachgesagt wird, und verzichtet auf unnötige Wertungen. Zugleich versteht er es hervorragend, in seine Erzählung die zugehörigen Fakten einzuflechten, ohne je damit zu langweilen. So erfahren wir auch immer Angaben zum angetroffenen Fuhrpark oder zu den erbrachten Verkehrsleistungen der bereisten Bahn.

Übrigens gehen auch die Straßenbahnfans nicht leer aus: ein Bericht beschäftigt sich mit der Gummersbacher Kleinbahn und auch der Dampfbetrieb zwischen Weinheim und Schriesheim war dem Autor eine Reise wert, bei der ihm verschiedene elektrische Züge der OEG vor die Linse kamen.

(3) Wer die erste Auflage des Wolff’schen Handbuchreihe kennt, erinnert sich an das A5-Format des Zeunert-Verlags. Zwangsläufig stand die Anzahl der gezeigten Bilder in krassem Widerspruch zum verfügbaren Platz und viele Motive schrumpften auf nahezu Briefmarkengröße. Im vorliegenden Band hat es der Verlag anders gemacht und den herrlichen Motiven endlich den Raum gegeben, den sie verdienen. Die ausgewählten Bilder entstanden fast alle während der beschriebenen Reisen und man sieht, worüber der Autor schreibt. Manche Motive sind aber nicht „üppig“, sondern illustrieren eindrucksvoll Armut und Niedergang mancher heute längst verschwundenen Kleinbahn.

(4) Das Buch gefällt durch Format und Layout. Das Papier weist eine angenehm matte Oberfläche auf, die die hervorragend wiedergegebenen Fotos optimal zur Geltung kommen lässt. Obwohl fast durchweg Schwarzweiß-Bilder gezeigt werden, lockern farbig gedruckte Fahrkarten und Fahrpläne die Seiten auf. So sollen Fachbücher für unser Hobby aussehen!
Um nicht in Verdacht der „Schwärmerei“ zu geraten, hier zum Ausgleich doch noch ein kleiner Kritikpunkt: Sorgfältiges Lektorat scheint zunehmend zur Herausforderung zu werden, wobei sich die Fehler allerdings zahlenmäßig in engen Grenzen halten.

Fazit: Wer die Atmosphäre kleiner Bahnbetriebe mag, sollte sich dieses Buch unbedingt zulegen! Da die Verlagsgruppe Bahn mit ihren Zeitschriften auch in Bahnhofsbuchhandlungen präsent ist, besteht in größeren Städten eine gute Chance, vor Ort ein Exemplar zur Ansicht zu finden. Blättern Sie mal durch und lassen Sie sich überzeugen!

-gk-